Nach dem Selbstmord eines Transvestiten
konsultiert Inspektor Warren den Arzt Dr. Alton, um sich von ihm über
moderne Männer, die gerne Frauenkleidung anziehen, beraten zu lassen. Er
möchte vor allen Dingen erfahren, warum sich ein solcher Mensch
umbringt. Bei der Konversation kommt man schnell auf den Fall
Glen/Glenda zu sprechen, in dem ein Mann sich nicht traut, seiner
Geliebten zu beichten, dass er eine Leidenschaft dafür hat, sich als
Frau zu verkleiden.
Meine frühere Kritik zu GLEN OR GLENDA, vom 27. Dezember 2012
Für die Zeit, in der der Film gedreht wurde, tritt er mit seinem Thema
ziemlich mutig auf, man könnte auch schreiben, er sei seiner Zeit voraus
gewesen. Er begibt sich dabei nicht nur in die Schluchten der
Psychoanalyse, sondern sucht auch einen direkten Kontakt mit dem
Zuschauer, den er für das Thema Transvestitismus zu sensibilisieren
versucht. Mit dieser Aufgabe beauftragte Wood vor allem den schon
abgehalfterten und drogensüchtigen Bela Lugosi, dessen goldene Zeiten
schon längst vorbei waren. Seine Rolle zu beschreiben, fällt nicht
leicht, weil ihre Funktion innerhalb des Plots nicht ersichtlich zu sein
scheint. Er spielt einen Mann, der auf einem Sessel sitzt und dabei
das Handeln der Menschen kommentiert und kritisiert. Oft glotzt er
direkt in die Kamera, während er das Publikum anredet, wobei der Ton der
Worte oft zwischen dramatisch und melancholisch changiert. Um eine
hysterische Stimmung bemühend, spricht er dann auch oft von einem
Drachen, der an der Türschwelle wartet und kleine Jungs sowie fette
Schnecken verspeist. Obschon Lugosis Auftritt eine Kuriosität nach der
anderen hervorzaubert und seine Rolle für einige Witzchen gut ist, sehe
ich ihn persönlich als eine wichtige Instanz innerhalb der
vielschichtigen Geschichte. Der von ihm gespielte Charakter bildet
nämlich so etwas wie eine Scharnierstelle zwischen Dokumentation und
Fiktion, da diese Gestalt ein Auge auf beides wirft. Er ist ein
Kontrolleur beider Welten, der die moralischen Mängel in der
Gesellschaft benennt, die mit Transvestitismus zusammenhängen.
Interpretieren lässt sich Lugosis Figur zudem noch als eine ziemlich
drollige Vorstellung von Gott, auch wenn er in den Credits als "The Scientist" bezeichnet wird.
Bei meiner nunmehr dritten Sichtung habe ich gemerkt, wie wichtig dieses
Werk in erzählerischer Hinsicht ist. Neben der Tatsache,
dass Ed Wood kein großes Interesse am konventionell-spießigen
Bildvokabular zeigt, verneint er auch die Straightforward-Methode, also
das Geraderaus-Erzählen. GLEN OR GLENDA spielt sich dagegen auf
mehreren Zeit- und Realitätsebenen ab, in die auch noch Rückblenden und
Binnenerzählungen hineingeschoben werden. Gleichzeitig ist der Film eine
Mischung aus Fiktion und Pseudodokumentation, erstgenanntes verzichtet
dabei nicht auf autobiografische Fußspuren. Das Wort
Verwirrung schießt einem zwar mehrmals durch den Kopf, doch wo sonst,
wenn nicht in diesem Film, in welchem es zentral um ein Durcheinander,
ein mentales Hin und Her geht, ist Verwirrung denn angemessen? GLEN OR GLENDA ist in vielen Augenblicken naiv, in anderen
unheimlich kryptisch, manchmal unbeholfen, und oftmals so weit weg vom
Normalsein, wie es nur möglich ist. Kurioses und
Albernes verwächst bei Wood mit dem Analytischen sowie dem
Seriös-Aufklärerischen, er führt Sinnloses und Sinnhaftes zusammen, und
macht das nicht ohne die Formen des modernen Erzählens, die zahlreiche Nouvelle Vague Vertreter alt aussehen lassen.
GLEN OR GLENDA
Regisseur: Ed Wood
USA 1953
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