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Literatur: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß

Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
Robert Musil

(Die Verwirrungen des Zöglings Törleß, 1906, Deutsch)

Wurde von Schlöndorff verfilmt
Über die Verwirrungen eines Pubertierenden handelt das 1906 erschienene Buch, welches auch die demütigenden Praktiken von Jugendlichen in einer militärischen Bildungsanstalt untersucht. Robert Musil bettet seine eigene Erfahrungen aus einem Erziehungsinstitut in die teils feinfühlige, teils brutale Handlung ein und schafft es in diesem Erstlingswerk den Leser mit einem beeindruckenden und hypnotischen Schreibstil zu fesseln sowie innere Vorgänge des Protagonisten auf eine sensible Art einzufangen.

Die düstere Coming-of-Age-Geschichte beginnt am Bahnhof. Törleß und seine Eltern warten auf einen Zug. Dieser soll den Sohn zurück zu einer Erziehungsanstalt bringen, einem Konvikt, wo Törleß sich schon seit vier Jahren aufhält, da die dort erhaltene Ausbildung eine tolle Zukunft verspricht. Dann spult Musil zurück und beleuchtet die Anfangszeit von Törleß und berichtet über das anfängliche Heimweh, welches eigentlich überhaupt keines ist. Denn Törleß leidet unter einer Leere, die er nicht ausfüllen kann. Der in sich gekehrte Knabe verschwindet in seinen konfusen Gedanken, sieht neben der realen Welt noch eine zweite, und merkt schnell, dass er solche ungewöhnlichen Emotionen exklusiv empfindet. Als aufgrund eines Diebstahls der schwächliche und sozial schlecht gestellte Basini von zwei Schülern körperlich und seelisch gedemütigt wird, trifft Törleß der feurige Gedanke, dass der Schüler Basini möglicherweise die Antwort auf all seine Fragen ist.

"Und zwischen dem Leben, dass man lebt, und dem Leben, dass man fühlt, ahnt, von ferne sieht, liegt wie ein enges Tor die unsichtbare Grenze, in dem sich die Bilder der Ereignisse zusammendrücken müssen, um in den Menschen einzugehen."

Diese subtile Pubertätsstudie spricht den Zusammenhang zwischen Individuum und der Gruppe an. Überordnung, Unterordnung - Macht, Schwäche. Es gilt, die Balance zu suchen, zwischen individuellem Freiraum und kollektivem Bewusstsein. Doch dieses "Suchen" wird für Törleß zu einer Aufladung mystischer Gedanken, die sehr weit über die angesprochene "Einzelner vs. Gesellschaft"-Problematik hinausgeht. Und je mehr er sich lebhaft in seinen Verwirrungen verheddert, teilweise scheint er sich sogar im Kreis zu drehen, je mehr er wiederholend die Unwissenheit über seine gedankliche Lage bestätigt, desto greifbarer ist sein Zustand. Zu diesem Zweck wählte Musil wahrscheinlich auch eine repetitive Art, der Leser sollte auf diese Weise von den schwierigen und höchst komplexen Empfindungen emotionalisiert werden. Viele Aktionen von dem jungen Mann, der auf der Suche nach sich selbst ist, verabscheut man zutiefst, doch die Person selbst zu verabscheuen, dürfte angesichts dieses klugen psychologischen Profils nicht einfach werden.

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