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Acht Filme für einen Tag #2: Die Nacht der lebenden Filmegucker

Vom 1. März bis zum 2. März 2019 fand im Babylon Kino in Berlin ein Horrorfilm-Marathon statt, an dem ich teilnahm. Innerhalb von 24 Stunden sind also Zombies, Zenobiten, Hauskatzen, Gorillas, der olle Freddy und andere schöne Unheimlichkeitsumschreibungen auf der Leinwand aufgetaucht, natürlich unterbrochen von kleineren Pausen, in denen man Old-School-Trailer-Perlen anschauen, sich Kippen drehen oder einen Kaffee organisieren konnte. Insgesamt liefen 13 Spiel- und 2 Kurzfilme, wobei die Qualität der Projektionen sehr variierte, was ich jedoch völlig in Ordnung fand, da der Preis in unschlagbarem Metier lag. Wie viele Filme habe ich mir davon tatsächlich angeschaut und wie lange war ich dort zugegen? Nun, ich kann zumindest einigermaßen stolz von mir behaupten, einen ganzen Tag, also 24 Stunden, dort verbracht zu haben. Dies hat außer mir dann auch nur eine weitere Person geschafft. Leider musste ich geistig und körperlich jedoch nach dem elften Film aufgeben, weshalb ich einschlief. Zwischendurch wachte ich immer mal wieder auf, doch die Energy Drinks reichten am Ende nicht aus, um nicht der Erschöpfung zu erliegen. Immerhin bekam ich die letzten zehn Minuten von ROSEMARIE'S BABY mit, dem Abschlussfilm des Marathons, der fast den kompletten Saal des kleineren Kinos füllte (es gab auch Einzeltickets). Dies war übrigens auch der einzige der verschlafenen Filme, der für mich Relevanz besaß und den ich noch hätte sehen wollen.


Die Auswahl der Filme reißt für cineastisch geschulte Augen wahrlich keine Bäume aus, besitzt aber immerhin den Reiz, popkulturelle Klassiker neben Titel zu stellen, die eigentlich nur Menschen ohne Gewissen lieben können. Also ich zum Beispiel.

1. THE BEAST THAT KILLED WOMEN
R: Barry Mahon, 1965

2. MONSTERS CRASH THE PAJAMA PARTY
R: David L. Hewitt, 1965

3. THE FLESH AND BLOOD SHOW (Im Rampenlicht des Bösen)
R: Pete Walker, 1972

4. PET SEMATARY (Friedhof der Kuscheltiere)
R: Mary Lambert, 1989

5. THE EXORCIST (Der Exorzist)
R: William Friedkin, 1973

6. NIGHTMARE ON ELM STREET (Nightmare - Mörderische Träume)
R: Wes Craven, 1984

7. NIGHT OF THE LIVING DEAD (Die Nacht der lebenden Toten)
R: George A. Romero, 1968

8. MANOS: THE HANDS OF FATE
R: Harold P. Warren, 1966

9. THE LITTLE SHOP OF HORRORS (Kleiner Laden voller Schrecken)
R: Roger Corman, 1960

10. HELLRAISER (Hellraiser - Das Tor zur Hölle)
R: Clive Barker, 1987

11. HELLBOUND: HELLRAISER II
R: Tony Randel, 1988

Los ging es es um 18.00 Uhr.

THE BEAST THAT KILLED WOMEN - Gut gebaute Frauen und durchschnittlich aussehende Männer, die sich in einem Nest für Nudisten amüsieren, bis irgendwann ein Gorilla auftaucht. Wunderbar, wie der Film mit einer Rückblende spielt und verschachtelt wahrgenommen werden möchte, obwohl er maximal daran fasziniert ist, Ärschen zuzuschauen und uns daran teilhaben zu lassen. Das Publikum war begeistert und ich habe immer noch die schlecht abgemischten Frosch- und Vogellaute im Kopf, die die Szenerien mit Authentizität ausstatten sollten, wenn es schon nicht die Schauspieler oder die Inszenierung tun. Ein Film, der nachhallt also.

MONSTERS CRASH THE PAJAMA PARTY - Verschrobene halbstündige Parodie, die auf bekannte Horrorfilmmonster anspielt und dessen kreative Titelsequenz knorken Spaß verheißt. Mittendrin dann: Mutprobe, Spukhaus, mad scientist und ein Gorilla, der beschriftete Schilder hochhält, um seine Eindrücke auszudrücken. Es wäre traurig, wenn die Welt nur aus solchen Filmen existieren würde, aber solche umnachteten Ergüsse muss es ja auch geben.

THE FLESH AND BLOOD SHOW - Bei diesem Film wurde es schon stiller im Saal, handelt es sich bei ihm doch um einen sehr ernsthaften Beitrag zum Horrorgenre, der auch keine schlechte Inszenierung bietet. Mit der von mir unerwarteten freundlichen Unterstützung von nudity und Sex zeigt dieser verkappte Slasher die Abgründe eines psychopathischen Ex-Schauspielers. Ein manchmal zu biederes Stück aus der Prä-Slasher-Ära, welches jedoch einen Blick wert sein kann.


PET SEMATARY - Das kleinere Kino wurde jetzt richtig voll. Ich kann mich erinnern, diesen Film vor mehr 12 Jahren zum ersten und vorerst letzten Mal gesehen zu haben. Schrecklich fand ich ihn schon damals, führte es jedoch auf den kurzen zeitlichen Abstand zurück, der zwischen dem Lesen der Lektüre von Stephen King und dem  Schauen des Films von Mary Lambert verging. Es tut mir ja leid, aber ich schaffe es auch nach der zweiten Sichtung nicht, positive Worte über diesen Film zu verlieren, der inszenatorisch und schauspielerisch das Niveau eines dürftigen TV-Spielfilms niemals verlässt. Dass Stephen King dazu das Drehbuch extra verfasst hat, führt mir einmal mehr vor die Augen, dass der Herr zwar Literatur schreiben kann, jedoch kaum Ahnung von der filmischen Materie hat. Was ich jedoch in Verbindung mit diesem Graus empfehlen kann, ist die Dokumentation UNEARTHED & UNTOLD: THE PATH TO PET SEMATARY (2017), welche die Produktionsgeschichte des Films um wiederauferstandene Menschen und Tiere näher beleuchtet. Definitiv besser als die Primärquelle. Ebenfalls rekommandieren lässt sich PET SEMATARY II (1992), der von der gleichen Regisseurin stammt. Ich möchte diesen Streifen nicht von Fehlern und seiner unverhohlenen, manchmal erschütternden cheesiness freisprechen, doch kämpft dieser mit mehr Überzeugung für die Glaubwürdigkeit seiner Charaktere und punktet gegenüber dem ersten Versuch durch eine bessere Regie.

23.30 Uhr. Man wechselte in den großen Saal und ich ging zum Imbiss, um mir Falafel zu bestellen. Oder war es doch Halloumi? Ich weiß es nicht mehr.

THE EXORCIST - Bei Friedkins Interpretation von Blattys Vorlage handelt es sich für mich um mehr als nur einen Film. Es ist ein Stück Phänomen, welches mir nur halbwegs einleuchtet. Nicht falsch verstehen, das Werk ist eine Granate. Aber ich begreife nicht seinen popkulturellen Status, den er genießt und dem auch das Gegenwartspublikum nicht zu entkommen scheint.  Zwar gehört THE EXORCIST zum Sammelbegriff Mainstream wie etwa Marvel oder die HARRY POTTER-Reihe, doch ich erkenne beim besten Willen keine Verknüpfung zum Kommerziellen. Er ist zäh, kriechend und fühlt sich extrem schwer an. Da ich ihn in den letzten fünf Jahren mehrmals im Kino gesehen habe, glaube ich zu wissen, dass viele eine nicht korrekte Vorstellung von diesem Film haben und ihn auf ganz bestimmte Bilder und Szenen reduzieren. Das zeigen mir immer wieder gelangweilte Zuschauer, die vorzeitig den Saal verlassen. Auch in dieser Nacht gab es sie. Regisseur William Friedkin schenkt denen ohne Geduld aber auch wirklich nichts und so können schon die ersten fünfzehn Minuten im Irak zu einer Tortur werden. Selbst ich habe mich im Mittelteil dabei erwischt, hin und wieder nicht aufgepasst zu haben, wenngleich ich nie eingeschlafen bin. Ich führe das bei mir mal hauptsächlich auf die Uhrzeit sowie die vier bereits geschauten Filme zurück.

NIGHTMARE ON ELM STREET - Erst kürzlich durfte ich wieder lesen, dass Wes Craven kein guter Regisseur sei und bis auf wenige Ausnahmen keine guten Filme gemacht habe. Dann sehe ich mir das an und schenke all jenen keinen Glauben, die die Leistungen des verstorbenen Regisseurs schmälern und schlecht reden. Fabelhafte Regie, fabelhaftes Skript, fabelhafter Film. Zum ersten Mal auf großer Leinwand gesehen und hoffentlich nicht zum letzten Mal überwältigt.


NIGHT OF THE LIVING DEAD - Man kann sich heute, glaube ich, gar nicht vorstellen, wie dieser wuchtige Film auf die Zuschauer von 1968 gewirkt haben muss. Für die damalige Zeit hatte nicht nur das Zombie-Thema einen revolutionären Charakter, sondern auch der Schnitt, die Kamera sowie die Intensität in der Darstellung gruppendynamischer Prozesse. Der schwarze Darsteller als einziger Sympathieträger (obgleich nicht unfehlbar) tat sein Übriges. Ich habe den Film schon mehrmals geschaut und als megatoll empfunden, doch erst bei dieser Sichtung im Kino ist mir aufgefallen, welche große Regieleistung Romero hier vollbracht hat und wie intensiv sich der Film noch heute anfühlt, sobald Barbara im Haus ist. NIGHT OF THE LIVING DEAD ist also nicht bloß trockene Geschichtsstunde, die man absolvieren muss, um als Cineast durchzugehen. Er ist first und foremost eine verdammt beachtenswerte visionäre Leistung!

MANOS: THE HANDS OF FATE - Meine Meinung, zur negativen Rezeptionshistorie des Films nicht anschlussfähig, habe ich bereits in Form einer Kurzkritik der Welt verkündet. Die Zuschauer hatten anfangs nicht ganz so viel Spaß wie mit THE BEAST THAT KILLED WOMEN oder MONSTERS CRASH THE PAJAMA PARTY, doch irgendwann, ich schätze ab der Mitte des Streifens, wurde dann das Eis doch noch gebrochen und man nahm hörbar war, wie der Saal sich zu amüsieren begann. Auf jeden Fall glaube ich, dass viele von ihm mindestens halb hypnotisiert wurden. Schlafen gesehen habe ich jedenfalls niemanden. Einige Tage später sah ich mir auch die Version des Mystery Science Theaters an und muss zugeben, dass mir das Original von Harold P. Warren um einiges besser mundet und ich den Hype um diese MST3K-Episode nicht ganz greifen kann.

Gegen 7 Uhr gab es Frühstück und man ging wieder zurück ins kleine Kino.

THE LITTLE SHOP OF HORRORS - Das Remake durfte ich bereits zwei Mal auf großer Leinwand bewundern, die Fassung von 1960 habe ich bis zum Marathon nur als DVD gesehen. Ich mag die Komödie mit Hauptdarsteller Jonathan Haze, seinem naiven Schwarm Jackie Joseph und dem Kurzauftritt von Jack Nicholson sehr und er sorgte als erste intendierte Horrorkomödie nach MONSTERS CRASH THE PAJAMA PARTY für angenehme Abwechslung.


HELLRAISER - Die visuelle Dimension dieses Sadomaso-Gothic-Bodyhorror-Höllentrips hat über die Zeit nichts von ihrem Schrecken und ihrer Eitelkeit verloren. Ähnlich wie bei MANOS, NIGHTMARE ON ELM STREET und dem Romero-Debüt habe ich das Gefühl gehabt, jedes Bild einsaugen zu müssen. 

HELLBOUND: HELLRAISER II - Regisseur Tony Randel setzte das fort, was Clive Barker ein Jahr zuvor hinterlassen hatte. Nur ein Jahr! Was war das bitte für eine geile Zeit, ins Kino zu gehen! Dennoch würde ich nicht mehr wieder den zweiten Teil direkt im Anschluss an den ersten schauen wollen, da das Sequel dramaturgisch, inszenatorisch und figurentechnisch dadurch im Vergleich schon wesentlich stärker abfällt. Dennoch: die Visualität im Allgemeinen und die grafisch-expliziten Gewalteffekte im Speziellen bleiben pures Genregold.

Danach bin ich leider eingepennt und kann mich noch erinnern, mehrmals für kurze Zeit wach gewesen zu sein. Unter anderem habe ich auch die Schlussphase von BEAKS: THE MOVIE (1986), einem mexikanischen THE BIRDS-Ripoff, mitbekommen. Völlig benommen ging ich nach diesem langen Kinobesuch natürlich erstmal nach Hause. Aber nicht um weiterzuschlafen, sondern um mich für einen Restaurantbesuch umzuziehen, bei dem Filmkultur glücklicherweise keine Rolle mehr spielte.

Ehrenpreis für den besten Film für Menschen ohne Gewissen: 
MANOS: THE HANDS OF FATE


Bester Film: 
NIGHTMARE ON ELM STREET

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