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Jail Bait

JAIL BAIT
USA, 1954
Genre: Thriller, Kriminalfilm (Trash)
Dauer: 72 Minuten

Regisseur: Ed Wood
Drehbuch: Alex Gordon, Ed Wood
Darsteller: Timothy Farrell, Dolores Fuller, Clancy Malone, Herbert Rawlinson, Steve Reeves, Lyle Talbot, Theodora Thurman, Clancy Malone

JAIL BAIT war Ed Woods Versuch, einen düsteren Kriminalthriller auf die Beine zu stellen. In Teilen rekonstruiert er sogar einzelne Handlungselemente, die man bestens aus dem Film noir kennt, so zum Beispiel gewissenlose oder freiwillig ins Unglück stürzende Männercharaktere, deren Leben sich nach einem Verbrechen schlagartig verändern, was für sie bedeutet, dass neue Strategien ausgetüftelt werden müssen, um nicht der Polizei in die Hände zu fallen. Im zweiten Teil wird man mit dem Thema Identitätswechsel konfrontiert, welches nicht ohne bissige Schlusspointe auskommt, wenngleich dieser Teil oberflächlich gesehen mehr comichaft denn gedanklich stimulierend wirkt. Wood sei Dank ist Logik in JAIL BAIT Mangelware, die Realität wird vieler ihrer Bedingungen beraubt, vielleicht sogar geschlagen und getreten, aber darauf ist man bei dem Mann doch ohnehin besser vorbereitet. Trotzdem kann man konstatieren, oder muss es sogar tun, dass der Sichter sich nicht mehr so fest anschnallen muss, wie bei PLAN 9 FROM OUTER SPACE oder GLEN OR GLENDA. Dieser Film ist nämlich weitaus schläfriger und gelassener ausgefallen, um nicht zu sagen geerdeter. Das betrifft sowohl Inszenierung als auch die inhaltlichen Verknüpfungen. Die Stirn runzeln sollte man dabei allerdings nicht, wenn man das liest, denn der Regisseur zeigt in seinem zweiten Langfilm, dass auf ihn Verlass ist, selbst wenn schräge Ideen ausbleiben.

JAIL BAIT konnte mit der Hilfe der Polizeiwachen in Alhambra, im Monterey Park und Temple City realisiert werden, worauf am Anfang auch durch einen Text eingegangen wird. In eine der Wachen führt uns dann auch gleich der Film, der dort den ersten Protagonisten Don Gregor zeigt. Dieser wurde mit einer Waffe festgenommen, ohne eine Erlaubnis für diese vorzeigen zu können. Seine Schwester Marilyn befindet sich ebenfalls in der Station und ist gekommen, um eine Kaution für ihren straffällig gewordenen Bruder zu hinterlegen. Der zuständige Inspektor fragt sich, nachdem die beiden die Wache verlassen haben, wie es geschehen konnte, dass der Sohn eines angesehenen plastischen Chirurgen sich einen solchen Ärger einhandeln kann. Zu Hause angekommen, verweist Don seine Schwester darauf, dass er schon wisse, was er tue und er ein erwachsener Mann sei, der selbstbestimmt handeln dürfe. In der Diskussion nicht auf seine Schwester hörend, holt sich Don Gregor ein Schießeisen, das in einem Buch versteckt war, weil man ihm die Waffe, mit der er erwischt wurde, nicht zurückgegeben hat. Daraufhin trifft sich Don in einer Bar mit seinem Kumpel Vic Brady, einem waschechten Gangster, der ihn dazu überredet, das Lohnkonto eines Theaters in der Nähe zu plündern. Doch wie man sich schon denken kann, geht dieses Verbrecherstück nach hinten los, obwohl man zuvor sicher war, dass es unkompliziert zu bewerkstelligen wäre. Im Fall von Don hätte es jedoch kaum schlimmer kommen können, denn in einer Mischung aus Angst und Aufregung erschoss er einen Polizisten. Viel zu spät merkt er, dass sein Gangsterkumpel ein falscher Fuffziger ist, der ihn (mund-)tot sehen will.

Obwohl es lange so aussieht, als sei Don Gregor die festgelegte Hauptfigur, ändern sich die Relationen mit seinem überraschenden, weil vor allen Dingen frühen Tod von einer Minute auf die nächste. Dennoch scheue ich einen Vergleich mit PSYCHO, denn das Figurennetzwerk weist in JAIL BAIT vor dem Tod von Don weitaus mehr Verknüpfungen und aktive Personen auf, als der sechs Jahre später erschienene Schlitzerfilm; was bedeutet, dass die Hauptperson sehr viel weniger im Mittelpunkt des Geschehens steht. Aber der Protagonistenwechsel bleibt trotzdem eine faszinierende, weil runde Sache, schließlich findet erzähltheoretisch ein Identitätsdiebstahl statt, der später noch in anderer Form zum zentralen inhaltlichen Motiv des Films wird. Don, die ursprüngliche Hauptfigur, wird nämlich von Vic Brady erschossen, der daraufhin, weil die Erzählung keinen Alternativvorschlag bereitstellt, als Hauptfigur auftritt. Dieser Umstand des Diebstahls wird in der Schlusspointe, auf die ich hier nicht eingehen möchte, sogar noch ironisch reflektiert und entlarvt. Was bei den Aufnahmen besonders auffällt, sind die Aktionen, die sich draußen abspielen. Es ist nämlich so, dass auf den Straßen nur in der Dunkelheit gedreht wurde, was die Suggestion einer dezent gespensterhaften Stimmung begünstigt. Gerade in Kombination mit dem wirren und total kruden Soundtrack entwickeln die Bilder, die mit schlechten Lichtverhältnissen ringen müssen, manchmal eine nicht näher bestimmbare Attraktivität. Allerdings ist zu sagen, dass diese Momente eigentlich nur Glückstreffer sein können, weil die in der Mehrzahl aus Flamenco-Sounds und Free-Jazz-Kompositionen bestehende Musik unerbittlich vor sich hin spielt und nur für kurze Augenblicke verschwindet.

Neben seiner schnell vorangetriebenen Krimihandlung bietet der Film zahlreiche Aspekte einer Familientragödie, womit ich an dieser Stelle auch Alex Gordon loben möchte, der sich zusammen mit Ed Wood für das Drehbuch verantwortlich zeichnete. Er schrieb ebenso DIE RACHE DES WÜRGERS (1955) und setzt sich in JAIL BAIT mit einer übersichtlichen Familie auseinander, wo die Mutter gestorben ist, der Vater seinen Sohnemann anscheinend falsch erzogen hat, die Tochter ihrem Bruder aus der Patsche hilft und wo der Schwierigkeiten machende Sohn in kriminelle Verwicklungen gerät. Das System aus diesen Figuren funktioniert wunderbar und selbst die Mutter kriegt eine Rolle, nämlich als Kern einer Hypothese. Der Vater vermutet, dass nicht allein seine Erziehung für den in die Kriminalität abdriftenden Sohn schuld wäre, sondern dass diesem jungen Mann zusätzlich noch seine Mutter fehle und ihr früher Tod ihn negativ beeinflusst hätte. Hiermit schlägt der Film auch eine Brücke zu dem ein Jahr vorher entstandenen Gaga-Hit GLEN OR GLENDA, da dort das Handeln des Protagonisten ebenfalls mit der Abstinenz einer Mutter psychologisch ergründbar gemacht wird. Zum Schluss möchte ich noch auf die Darsteller zu sprechen kommen, weil das, was sich zum Teil zusammengefunden hat, gar nicht uninteressant ist. Zunächt haben wir da Herbert Rawlinson, der schon in den 10ern in Stummfilmen aktiv war und mit JAIL BAIT seinen letzten Film drehte, bevor er in der Nacht, nachdem die letzte Aufnahme getätigt wurde, verstarb. Andersherum lief es für den Bodybuilder Steve Reeves, der hier nicht seinen letzten, sondern seinen ersten Auftritt in einem Film hatte und in den Fünfzigern und Sechzigern für seine Darstellungen in italienischen Sandalen-Schinken noch bekannt werden sollte. Was damals zu der Zeit der Entstehung im Norden schon verpönt war, aber im Süden noch funktionierte, nannte sich professionelles Blackfacing. In einer zweiminütigen Szene ist Cotton Watts zu sehen, einer der letzten Performer dieser Showgattung, wie er auf der Bühne einen Sketch aufführt und danach mit seinen viel zu großen Schuhen zu tanzen anfängt.

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