Joseph Conrad
(Almayers Wahn, 1895, Englisch)
Conrads erster Roman |
Die Figur Almayer soll keine ausgedachte, sondern nach einem Vorbild geschriebene sein. Zumindest soll es einen historischen Menschen gegeben haben, dessen Lebensweg mit dem des fiktiven Charakters dieses Buches zu vergleichen ist, wenn auch nur vage. Außerdem projizierte Conrad viele seiner Erinnerungen als Schiffskapitän und Besucher tropischer Gegenden in diesen Roman, wodurch das literarische Debüt - ja, dies ist Conrads Erstlingswerk - eine beachtenswert persönliche Note des englischen Schriftstellers enthält und schon deshalb sehr lesenswert ist.
"Für Almayer war guter Rat teuer, und er kämpfte und mühte sich, nahezu auf sich allein gestellt, denn bis auf den Schutz, den ihm der alte Raja, Lingard zuliebe angedeihen ließ, war er ohne Freunde und Beistand."
Lesenswert auch, weil viele der Konflikte an keine Zeit gebunden sind und heute genauso aktuell sind wie damals. Während historische Tatsachen dem Leser kurze Zeitreisen in die imperialistische Hochphase gewähren, ermöglichen sie ihm gleichzeitig festzustellen, wie schwer es die Bewohner der Kolonialgebiete hatten, die allesamt nach der Pfeife der Mächtigen tanzen mussten. Für Conrad muss das die Barbarenzeit gewesen sein, denn es ist wohl kein Zufall, dass alle wichtigen Figuren im Buch negativ besetzt sind. Betrug, Neid, Größenwahn, Gier, Groll - sie regieren und dirigieren die Charaktere. ALMAYERS WAHN ist somit eine harte und bittere Skizzierung menschlicher Existenz, für deren Wunden kein Einzelner verantwortlich ist, sondern ein ganzes System.
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