Frankreich, 2009
Genre: Drama
Dauer: 161 Minuten
Regisseur: Gaspar Noé
Drehbuch: Gaspar Noé
Darsteller: Nathaniel Brown, Paz de la Huerta, Cyril Roy, Emily Alyn Lind, Jesse Kuhn, Masato Tanno, Ed Spear, Olly Alexander

Der im Mittelpunkt stehende Oscar lebt zusammen mit seiner Schwester Linda in einem Tokioter Appartment. Bevor er bei dem Polizeibesuch in der Bar "The Void" aufgrund eines unglücklichen Missverständnisses umgebracht wird, streitet er sich mit seiner Schwester, die ihn als Drogenabhängigen bezeichnet. Als sie das Haus verlässt, nimmt er etwas von seinen geliebten Substanzen und erlebt einen artifiziellen Trip voller wilder Farben und Formen, den man selbstverständlich aus der alle Vermittlungshindernisse negierenden Egoperspektive Oscars zeigt. An dieser Stufe der visuellen Brutalität zeigt man sich im Rest des Films nicht mehr interessiert, verlegt sich danach, nachdem Oscars Geist sich von seinem Körper trennt, auf eine zahmere Variante der Bilder. Die Wildheit der ersten halben Stunde wird durch repetitive Rückblenden und entschleunigte Vogelperspektiven ersetzt. Oscars aus dem Körper geworfene Seele irrt in der Welt der Lebenden umher, auf der Suche nach einer Möglichkeit der Reinkarnation.
Durch die strenge subjektive Perspektive ist man so nah am Geist von Oscar, dass einem die Identifikation regelrecht aufoktroyiert wird. Ja, man hat nicht selten sogar das Gefühl Oscar selbst zu sein. Ein solch starkes Identifikationsgefühl innerhalb der albtraumhaften Flugreisen kann entweder in jeder Sekunde bereichernd sein oder in den Wahnsinn treiben, weil die Qual der Sinnlosigkeit und die Witzlosigkeit der Situation, sich komplett auf den Zuschauer übertragen. Wenn man sich nur gerade so durchschleppt und abmüht, weil die 160 Minuten eine Tortur der Langeweile und Monotonie darstellen, ist das im Prinzip nicht der Fehler des Films, sondern möglicherweise die Intention der Macher. Kritiker müssen sich deshalb die Frage stellen, ob das Werk mit einer Laufzeitverkürzung nicht eher viele Kilos seiner Wirkung verlieren würde.
ENTER THE VOID ist jenseits dessen, was man gemeinhin als wohltuende Unterhaltung bezeichnet. Er fordert das Eintauchen - und fördert es gleichzeitig aufgrund der benutzten Stilmittel. Der sich jedweder naiv-schubladenhafter Zuordnung entziehende Film vermag zwar vor allem wegen seiner begeisternden ästhetischen Komponente für Applaus zu sorgen, nimmt er sich doch mit seinem vordergründigen Inhalt um das Versprechen des Bruders an seine Schwester keine besonders komplexe Thematik vor, doch in den Zwischenschichten, in dem Ungesagten und Ungezeigten, kann sich der Kopf-Cineast durchaus mit eigenen Ideen und Theorien austoben. In die bisherige Noe'sche Spielfilmsammlung, zu der auch MENSCHENFEIND und IRREVERSIBEL gehören, reiht sich ENTER THE VOID aufgrund seiner Kompromisslosigkeit auf der Bildebene perfekt ein, und darf als Entwicklung des Regisseurs betrachtet werden, der nach siebenjähriger Spielfilmpause dazu übergeht, die Menschen nicht mehr mit grafischen Schocks zu empören, sondern mit einem ungewöhnlichen Konzept, welches seiner Dauer wegen für viele schlichtweg zu lang sein dürfte.
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