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Wild (2016)


WILD
Regisseurin: Nicolette Krebitz
Deutschland 2016

Radikale Abgrenzung

Eine junge Frau namens Ania (Lilith Stangenberg) trifft im Park auf einen Wolf und dann ist es um sie geschehen. Das Tier beeindruckt sie so sehr, dass sie es einfängt und in ihre Wohnung bringt. Ihren Bürojob vernachlässigt sie fortan und sagt ihrem anhänglichen Chef (Georg Friedrich) irgendwann schließlich, dass er sich doch eine neue Angestellte suchen soll, die ihm den Kaffee bringt. WILD ist nicht weniger als ein beunruhigender Film, der von poetischer Stringenz, kühler Erzählhaltung und einer radikalen Abgrenzung zur gewöhnlichen Untersuchung des Mensch-Tier-Verhältnisses getragen wird. Das Drehbuch setzt auf Ambivalenz und Mehrdeutigkeit, wo andere Werke erklären, idealisieren, versprechen, prophezeien, verniedlichen. Herausgekommen ist das Porträt einer Frau, die durch die Begegnung mit dem Tier dem Käfig der Gesellschaft entflieht. Wer hier innerhalb des Mensch-Tier-Gefüges wen wann befreit und einsperrt, wer zähmt und gerade gezähmt wird, bleibt ohnehin sehr unscharf und ist eine Sache des Blicks. Einen autoritären Blick auf das Geschehen kneift sich WILD jedoch. In den Bildern stecken zwar Überlegungen, aber diese überlegen selten für uns. Formale Wildheit entwickelt man vornehmlich in Abbildungen, welche selbst um die Schaffung einer selbstbewussten sexuellen Beziehung zwischen Frau und Wolf keinen Bogen machen. Das sich irgendwo an den Grenzen zwischen Zoophilie und Zoosexualität abspielende Verhältnis greift man mit Begriffen von Weiblichkeit und weiblicher Lust auf: Eine Menstruationsblutspur führt den Wolf direkt zum Schoß des Frauchens, das ein behagliches Spüren entwickelt, als ihr tierischer Freund sie unten ableckt. Der Alltag von Ania transformiert sich nach der Begegnung mit dem Tier dann natürlich auch zusehends, was bedeutet, dass sich die stabile Langweile ihres bisherigen Daseins merklich auflöst. Die sukzessive Naturalisierung führt zum Ausbruch aus den gewohnten gesellschaftlichen Mustern: Man macht dem neuen Freund morgens lieber ein Omelett als dem Chef einen Kaffee. Ihrem Arbeitsplatz möchte Ania nicht nur fernbleiben, sie will dort auch nicht einmal mehr vermisst werden. WILD imaginiert mit der Protagonistin zusammen lieber einen hypothetischen Winkel, der nicht mehr von alltäglichen Ängsten, Selbstlügen und Einschränkungen durchsetzt wird. Der eingeschriebene feministische point-of-view dieser Ausbruchsgeschichte bleibt dabei trotz seiner klaren Positionierung angenehm subtil. Es nimmt nicht die Bedeutungslosigkeit eines Hintergrundrauschens an, verzichtet aber ebenfalls auf die hypertonischen Zuspitzungen einer Margarete-Stokowski-Kolumne. Sollte man sich angeschaut haben.

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