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The Shining (1997)

THE SHINING
Regisseur: Mick Garris
USA 1997

Die meisten Verfilmungen von Stephen Kings Romanen oder Kurzgeschichten genießen bei Cineasten keinen nennenswerten Status, der Stoff aus den Neunzigern schon gar nicht. Ein wohlwollenderer Blick kann die negative Einschätzung jedoch gehörig verwischen, schließlich sind in diesen Jahren auch MISERY von Rob Reiner und THE DARK HALF von George A. Romero erschienen. SHAWSHANK REDEMPTION, DOLORES oder THE GREEN MILE zeigten, trotz ihrer niedrig liegenden psychologischen Komplexität, dass King sich auch an weniger phantastischen Welten abarbeiten konnte. Die Neunzigerjahre sind in Bezug Filmschaffender vor allem mit zwei Namen verknüpft: Frank Darabont und Mick Garris. Erstgenannter drehte die bereits erwähnten Publikumslieblinge mit Tim Robbins bzw. Tom Hanks, Garris dagegen vertraute man mit weniger Erfolg versprechendem Material und Adaptionen für das Fernsehen an. Bevor man Mick Garris an die Verfilmung von SLEEPWALKERS (1992) ließ, realisierte der Herr aus Kalifornien unter anderem die bei der Kritik durchgefallenen CRITTERS 2 (1988) und PSYCHO IV – THE BEGINNING (1990). Nach SLEEPWALKERS folgten zahlreiche Adaptionen von Stephen-King-Stoffen, nämlich zunächst das schwer zu verfilmbare und ständig verschobene Projekt THE STAND, welches 1994 als vierteiliger Film für das Fernsehen das Licht der Welt erblickte. Doch über gezähmte Bilder einer Virusepidemie, pathetische Menschlichkeiten und religiösen Kitsch kamen die Macher nie hinaus. THE STAND zog sich wie Kaugummi und sprach eher die bügelnde Hausfrau als den kritischen Denker an. Dennoch hielt King an Garris fest und mutete ihm eine weitere Adaption für das Fernsehen zu, die Neuverfilmung des Bestsellers THE SHINING.

Die Prämisse des Films (und auch des Romans) läuft darauf hinaus, dass der Schriftsteller Jack Torrance (Steven Weber) mit seiner Frau Wendy (Rebecca De Mornay) und seinem kleinen Sohn Danny (Courtland Mead) ins Overlook Hotel einzieht, um dort in der besucherfreien Winterzeit Hausmeistertätigkeiten zu erledigen und Ordnung zu halten. Bald stellt sich jedoch heraus, dass das Hotel bösartig ist und beim Vater und Sohn Visionen auslöst. Ferner geht es um die Hellsichtigkeit des kleinen Dannys, das sogenannte Shining, welches ihn bereits früh in der Geschichte bruchstückhaft auf den zukünftigen Horror hinweist. Anders als in der ersten Adaption von Stanley Kubrick werden die Beziehungen zwischen den Charakteren nicht bloß gestreift, sondern sehr gründlich beleuchtet. Der dreiteilige TV-Film mit seiner immensen Spielzeit von 259 Minuten kann es sich natürlich erlauben, die körperlichen Hüllen der Schauspieler mit menschlichen Aspekten zu füllen. Gerade die ersten 90 Minuten verlagern beinahe ihr gesamtes Gewicht auf die psychologischen Motivationen und die Konflikte, die man zwar zu den familiären Akten gelegt hat, aber die weiterhin eine Relevanz in sich tragen. THE SHINING in der TV-Variante ist so um Galaxien näher an seinem literarischen Material.

Bekanntermaßen war Stephen King nicht sehr angetan von Kubricks Intellektualismus, mit welchem der Regisseur die Romanvorlage verfilmte. Der Schriftsteller verglich den 1980 erschienenen Film mit einem hübschen Wagen, der dem Auge zu gefallen weiß, aber mit dem sich nicht fahren lässt. Insbesondere sauer zeigte sich King, sowohl vor als auch nach dem Anschauen des fertigen Streifens, über die Entscheidung, den Charakter des Jack Torrance von Jack Nicholson spielen zu lassen. Lamentiert wurde dabei das unsubtile Spiel von Nicholson, der die plausible Abbildung eines Charakters, der langsam in den Wahnsinn hinabgleitet und zur Gefahr für das familiäre Gefüge wird, verunmöglicht. Gemäß dieser Kritik besetzte man die Stelle des Familienvaters in der Neuinterpretation mit Steven Weber, um dem Hausmeister einen biedermeierlichen Anstrich zu verpassen. Steven Weber schaut dabei aus wie jeder Hauptdarsteller in den Stephen-King-Verfilmungen der Neunziger: weiß, durchschnittlich groß, leicht über dem Durchschnitt hübsch. Eine für die Bildschirme fantasierte Mittelmaßgestalt, von der man annimmt, dass selbst ein Bleistiftanspitzer sich mit ihr identifizieren könnte. Es stellt sich in diesem Fall allerdings auch die Frage, ob man es mit dem Durchschnittstypen nicht möglicherweise übertrieben hat. Webers Darstellung erreicht nämlich erst in den letzten 90 Minuten des TV-Mehrteilers eine Mehrdimensionalität, die jedoch im Vergleich zu Jack Nicholsons Performance höchstens eine schüchterne Fußnote darstellt.

Zur Neuverfilmung schrieb Stephen King das Drehbuch selbst und man ahnt, was es mit der Vorstellung auf sich hat, die Charaktere langsam und behutsam in den Abgrund laufen zu lassen. Ist der erste Teil noch ein handfestes Familiendrama, kündigt der zweite bereits den Rückfall Jacks in den alten Alkoholismus an. Im Finale erwarten uns dann natürlich eine mächtige Gespensterachterbahn und die üblichen Nervenkitzelszenen, die eigentlich viel zu spät einsetzen. Leider bleibt die Regiearbeit in allen Phasen keuscher Natur ohne treibenden Instinkt. Während Stanley Kubrick den vulgären Horror in verdichtende Gemälde transformierte und darüber hinaus sorgfältig eine Beziehung zwischen Familie, Enge sowie Restriktion aufbaute, scheut sich Mick Garris vor jeder Form von künstlerischem Individualismus. Die feste Umklammerung der Vorlage ist nicht zwangsläufig schuld am ästhetischen Bankrott, aber sie verschafft den Machern eine Bequemlichkeit, sich nicht mit formalen Fragen übermäßig auseinanderzusetzen. THE SHINING von 1997 ist trotzdem deutlich empfehlenswerter als Garris' Vorgänger THE STAND, doch dies liegt in erster Linie an der unterschiedlichen Qualität einer audiovisuellen Übersetzbarkeit denn an Garris' Leistung. Es ist kein Geheimnis, dass Kubrick viele Handlungselemente des Romans verwarf oder marginalisierte. Das Wespennest, der Feuerwehrschlauch und die Heckentiere sind den Kennern der Vorlage zwar bekannt, tauchen im Kinofilm jedoch nicht auf. In der Neuverfilmung gestattet man diesen Motiven natürlich eine Präsenz zu, doch ihre Funktion als Vorboten des Schreckens bzw. als Manifestationen des bösartigen Einflusses vermögen sie kaum zu erfüllen. In Schriftform haben diese Elemente im Kopf des Lesers ihre Aufgaben erfüllt, doch visuell ausgesprochen könnten sie auch aus einem Weihnachtsfilm für die ganze Familie stammen. Man kann Stanley Kubrick viel vorwerfen, aber die Entfernung der Heckentiere sollte eigentlich nicht dazugehören. 

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