Es sind schon einige Monate seit dem letzten privaten Filmmarathon vergangen. Das ist insofern schade, als dass mir diese langen Märsche durch die Räumlichkeiten der Filmkultur im letzten Jahr sehr viel Freude bereitet haben. Temporäre Müdigkeit natürlich auch, aber vor allem Freude. Es wird also mal wieder Zeit, sein Durchhaltevermögen unter Beweis zu stellen. Die Regeln sind simpel: Mindestens acht Filme innerhalb von 24 Stunden schauen. Die Laufzeit eines Films darf die 60-Minuten-Grenze nicht unterschreiten und die durchschnittliche Laufzeit aller Filme muss bei ca. 90 Minuten liegen. Selbstredend klappt ein solches Unternehmen nur, wenn man frei oder Urlaub hat. Die fünfte Auflage fand vom 18. Januar, 19.15 Uhr bis 19. Januar, 18.50 Uhr statt. Nennenswerte Eingriffe aus der äußeren (realen) Welt waren nicht zu verzeichnen, was natürlich immer von Vorteil ist, wenn man sich auf ein Filmmarathon einlässt. Wie immer folgt zunächst die Filmübersicht, bevor ich alle Film kurz und schmerzlos Revue passieren lasse.
Ein Marathon ohne wirklichen Schwerpunkt und so sind auch die Filme, denen ich mich gewidmet habe, sehr unterschiedlich. Die Auswahl wurde einen Tag vorher auf ca. 15 Filme beschränkt, von denen sich diese acht auf sehr spontane Weise während des Marathons herauskristallisierten:
1. DIRTY WORK (Dirty Work - Rache ist süß)
R: Bob Saget, 1998
2. SOMMARLEK (Einen Sommer lang)
R: Ingmar Bergman, 1951
3. THE FOUNTAINHEAD (Ein Mann wie Sprengstoff)
R: King Vidor, 1949
4. OCEAN'S TWELVE (Ocean's 12)
R: Steven Soderbergh, 2004
5. NUDO E SELVAGGIO (Amazonas - Gefangen in der Hölle des Dschungels)
R: Michele Massimo Tarantini, 1985
6. THE WALKING DEAD (Die Rache des Toten)
R: Michael Curtiz, 1936
7. SLEEPWALKERS (Schlafwandler)
R: Mick Garris, 1992
8. TO LIVE AND DIE IN L.A. (Leben und Sterben in L.A.)
R: William Friedkin, 1985
Los ging es um ca. 19.15 Uhr.
DIRTY WORK - Zwei Kumpels machen eine Firma auf, die sich darauf spezialisiert, für ihre Auftraggeber Racheakte durchzuführen. Der auf deutschem Boden wenig bekannte DIRTY WORK kommt mit einer Mischung aus üblichen Buddykomödienklischees und Adam-Sandler-Humor daher, versucht mehr Witze abzufeuern, als ihm guttun würde, und endet damit, dass die männliche Hauptfigur sein love interest bekommt. Der Film ist nicht reich an gedanklichen Eigenleistungen und manchmal sogar selbst für mich zu hohl, doch als Einstieg in einen mehrstündigen Marathon akzeptierbar. Merklich seltsam bleibt dabei der Auftritt von Adam Sandler, welcher für geschätzte fünf Sekunde in einer Traumsequenz als Teufel auf dem Bildschirm auftaucht. Warte, war er das wirklich? Ein kurzer Besuch auf IMDB bestätigte mir, dass ich nicht halluziniere. Glück gehabt. Ansonsten treten noch John Goodman und Chevy Chase auf, welche aber keinen nennenswerten Unterhaltungsfaktor einbringen können.
SOMMARLEK - Von allen Filmen, welche ich bisher von Bergman gesehen habe, ist SOMMARLEK der älteste, der sich mit der psychologischen Komplexität und dem düster-existenzialistischen Ton der Kernwerke des schwedischen Regisseurs messen kann. DAS LÄCHELN EINER SOMMERNACHT und speziell DIE ZEIT MIT MONIKA haben zwar einige Gemeinsamkeiten mit EINEN SOMMER LANG (deutscher Titel), doch sind sie beschwingter, ihre Figuren solider. Es ist ein wunderschön fotografierter, wenn auch deprimierender Film über Erinnerungen und Vergänglichkeit. Wunderbar langsam und koordiniert, dabei von unerhörter Intensität.
Um 23 Uhr ging es ins Bett. Ein wenig Schlaf würde mir sicherlich guttun. Ab 7 Uhr ging es aber wieder weiter.
THE FOUNTAINHEAD - Ideale und künstlerisches Ausleben gehen für den Architekten Howard Roark vor Geld und Ruhm. Mit seinen modernen Visionen, die sich keinem klassischen Stil verpflichtet fühlen, stößt er bei Lehrmeistern, Investoren und Berufskollegen auf wenig Gegenliebe. Auf Kompromisse lässt sich der Sturkopf, der von allen Seiten vor dem finanziellen Ruin gewarnt wird, natürlich auch nicht ein. Fantastisch das Pokerface des Architekten spielend: Gary Cooper, dem keine Unsicherheit zu entlocken ist und dessen Zustimmungen und Ablehnungen etwas Finales haben. Die Beschäftigung des Films mit dem Thema der künstlerischen Integrität wirkt jedoch im Zusammenspiel mit einer antikollektivistischen Agenda und vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um ein Produkt aus Hollywood handelt, ziemlich unehrlich, zumal Coopers Figur in seinen Glaubenssätzen arg überzeichnet wirkt. Vidors Regie ist zeitweise jedoch ziemlich großartig und lässt die Unerträglichkeit einer heuchlerischen Ideologie beinahe vergessen. Die Szene, in der Cooper Patricia Neal verführt, würde man heute übrigens wohl eine Vergewaltigung nennen. Nicht zu unrecht.
Kurz zum Bäcker. Warme Brötchen holen.
NUDO E SELVAGGIO - Der Italiener Michele Massimo Tarantini ging Mitte der Achtziger mit seiner Crew in den Dschungel Brasiliens, um einen schmuddeligen Abenteuerfilm mit viel nacktem Fleisch und Machosprüchen zu drehen. Als einer der letzten Kannibalenfilme vermarktet, hat er mit dem Genre, welches durch Herren wie Deodato oder Lenzi beackert wurde, jedoch wenig zu tun. NUDO E SELVAGGIO bietet dafür in jeder Szene ungehobelte Exploitation und politisch-inkorrekte Unterhaltung, für die man heute keinen Vertrag mit einem halbwegs seriösen Verleih mehr kriegen würde. Ein chauvinistischer Gewaltporno, der kein gutes Benehmen vortäuscht, nicht rasiert ist und sich unverkleidet präsentiert, ist mir oft jedoch zehn Mal lieber, als nich-authentische Trashklamotten, die sich mit dem Argument aus der Schlinge ziehen wollen, dass sie es ja gar nicht ernst meinen würden. Dagegen bietet MASSACRE IN DINOSAUR VALLEY (Alternativtitel) neben einer fetten Schicht an Zeitgeist noch flotte Sprüche und overactende Schauspieler, welche tatsächlich versuchen, adäquate Repräsentationen für ihre Charaktere zu finden. Wir wissen, dass solche Filme die Berufsbilder von Paläontologen, Archäologen, Models, Fotografen und Soldaten ins Extreme verzerren und dass wir selbst in den Lustigen Taschenbüchern bessere Beschreibungen der Vertreter dieser Zünfte finden würden. Aber um wie viel ärmer sähen diese schnell heruntergekurbelten Filme ohne Klischees aus? Schubladen sind durchaus da, um geöffnet zu werden. Das macht diese Billigproduktion einmal mehr deutlich. Und hier noch ein Schmankerl in Bezug auf die Dialogschrägheit des Films:
- Könntest du versuchen dieses Ding ruhiger zu fliegen?
- Wieso? Ich fliege doch ganz ruhig.
- Nein, es schwankt von einer Seite zur anderen.
- Naja, es ist ein brasilianischer Hubschrauber.
- Und was bedeutet das?
- Er fliegt im Sambarhythmus!
- Wieso? Ich fliege doch ganz ruhig.
- Nein, es schwankt von einer Seite zur anderen.
- Naja, es ist ein brasilianischer Hubschrauber.
- Und was bedeutet das?
- Er fliegt im Sambarhythmus!
THE WALKING DEAD - Michael Curtiz verbindet Justizdrama, Thriller, Komödie, Gangsterfilm und klassischen Horror zu einem gesellschaftskritischen Genrecocktail, welcher sich der oft gestellten Frage verschreibt, ob der Mensch einen Schöpfer spielen darf. Boris Karloff spielt in der Hauptrolle den zu Unrecht auf dem elektrischen Stuhl Hingerichteten, welcher von einem neugierigen Wissenschaftler reanimiert wird, um endlich eine Antwort darauf zu haben, was mit der Seele nach dem Tod des Körpers passiert. Fortan wandelt der Tote durch die Stadt und versetzt mit seiner Präsenz Menschen in Schrecken, welche ihn auf den elektrischen Stuhl brachten. Nach DOCTOR X und MYSTERY OF THE WAX MUSEUM war dies bereits der dritte Horrorfilmeintrag Curtiz', der sich bekanntlich so gut wie in jeder filmischen Sparte herumtrieb. Auch wenn Karloff wie Frankensteins Monster ausschaut und ihn visuell wenig von den Darstellungen für Universal trennt, ist seine Figur hier anders angelegt. Er ist nicht nur eine wissenschaftliche Kuriosität, dessen Körper für Forschungszwecke vereinnahmt wird, sondern auch ein Racheengel, der Gerechtigkeit wiederherstellt.
Eine zweistündige Pause folgte, in der man hier und dort ein wenig den Haushalt erledigte.
SLEEPWALKERS - Das einzige Wiedersehen bei diesem Marathon hatte ich mit SLEEPWALKERS, den ich irgendwann mit 16 oder 17 nachts im Fernsehen sah. Ich konnte mich allerdings nur noch an das Bild mit dem Haus und den Katzen drumherum erinnern, der Rest war nicht einmal mehr verschwommen da. Die Geschichte dreht sich um eine Mutter und deren Sohn, die Gestaltwandler sind und sich von der Lebensenergie weiblicher Jungfrauen ernähren. Speziell im ersten Drittel klagt der Film das Schicksal der beiden an, die sich jedes Mal eine neue Bleibe suchen müssen, sobald ihre Tarnung aufzufliegen droht. Dabei offenbart sich schnell ein inzestuöses Verhältnis in der Mutter-Sohn-Beziehung, das romantische Beziehungen, die außerhalb der familiären Sphäre liegen, eigentlich untersagt. Die Themen, denen sich Stephen King als Drehbuchautor hier widmete, bieten auf dem Papier ein spannendes Programm und tatsächlich wird die erste Hälfte, welche sich viel Zeit für eine harmonische Einführung aller Personen nimmt, den vorgebrachten Ideen gerecht. Die Flucht des Sohnes vor einem Bullenwagen zum Beispiel, in der wir vermittelt bekommen, dass diese sleepwalker auch die Macht haben, für das normale Auge zu verschwinden, ist mehr als grandios umgesetzt. Doch als man es mit dem Campfaktor übertreibt und die Sympathien sich vollends auf das von Mädchen Amick gespielte Jungfrauenopfer verlagern, entsteht ein Riss, den der Film nie mehr schließen wird. Denn mehr als blöd durch die Gegend kreischen lässt das Skript Frau Amick nicht, sodass man sich als Zuschauer aus der Erzählung ausgestoßen fühlt. Für SLEEPWALKERS schrieb Stephen King zum ersten Mal ein Drehbuch, das nicht auf einer bereits fertigen Arbeit basierte - das Ergebnis ist bestenfalls durchwachsen.
TO LIVE AND DIE IN L.A. - Nach dem Tod seines langjährigen Partners hat Detective Richard Chance die Nase endgültig voll von einem Geldfälscher namens Eric Master, dem die Polizei bereits seit einiger Zeit auf den Fersen ist. Nachdem so manches legale Mittel zur Bekämpfung ausgeschöpft wurde, verliert Chance die Geduld und nutzt die Möglichkeit, Eric Master als vermeintlicher Käufer gegenüberzutreten. Dafür muss er zunächst jedoch einen Überfall auf ein paar zwielichtige Gestalten verüben. Man merkt, TO LIVE AND DIE IN L.A. ist nicht zum Kuscheln gedacht. William Friedkin fasst seine Absagen an den konventionellen Copthriller und das oft gezeigte Glitzerbild von Los Angeles in zynischen Haltungen zusammen, welche bis zum blutigen Schluss nicht relativiert werden. Auffällig inszeniert sind natürlich die Verfolgungsjagden, ob zu Fuß oder mit dem Automobil. Sie bilden eine Hitzigkeit ab, die Bedrohlichkeit erzeugt und so selbst den schon skizzierten Antihelden unheimlicher macht. Überhaupt sind die Schauwerte, die der Film trotz seiner düsteren, die Dekonstruktion anpeilenden Haltung bietet, ziemlich enorm. TO LIVE AND DIE IN L.A. behauptet einen geileren Körper als FRENCH CONNECTION zu haben, doch fehlt ihm die formale Geschlossenheit des 1971 veröffentlichten Thrillers mit Gene Hackman. Das ist jedoch nur halb so schlimm, da man nie das Gefühl hat, dass das Projekt über Friedkins Absichten wachsen würde. Die Desillusion der Charaktere und ihr zweifelhaftes Weltverständnis werden durch die etwas poppigere Aufmachung schließlich nicht ausgehöhlt und sind schon gar keine Feigenblätter, um Gewalt, Mord, Selbstjustiz und misogyne Machtökonomie in überhöhter Form auszuschlachten. Schauspielerisch gibt es übrigens nichts zu mucken: William Petersen und Willem Defoe harmonieren als Kontrahenten gegeneinander derart gut, dass man die beiden in dem ein Jahr später erschienenen, von Michael Mann inszenierten MANHUNTER ebenfalls gerne zusammen gesehen hätte.
Ehrenpreis für den verstrahltesten Blödsinn:
NUDO E SELVAGGIO
Bester Film:
TO LIVE AND DIE IN L.A.
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