SPRING BREAKERS
Regisseur: Harmony Korine
USA 2012
Oberflächen
Eine Flut an Farben, Lichtern und
stürmischen Synthesizerklängen; ein Ausbruch filmischen Wahnsinns,
welcher farblosesten Figuren Konturen, Schärfe und darüber hinaus
sogar Farbigkeit verleiht. Es ist die Geschichte einer Sinnsuche, die
in einem einfältigen Zynismus enden muss. Der Weg dorthin beginnt
als Anklage gegen eine dekadente Spaß- und Sensationskultur und
mündet schließlich in einer düsteren Farce, die mit weiblichen
Selbstermächtigungsfantasien ausgefüllt wird. Harmony Korine
vollführt Täuschungen und trickst nicht nur die Zuschauer aus, welche auf
die Oberflächen von Titten, Ärschen und sonstigen fleischlichen
Versprechungen eines wilden Teeniestreifens hereinfallen. Er spielt
auch mit den Erwartungen all jener, die den an niedrige Instinkte
appellierenden Oberflächenzauber als Kritik am weiß-westlichen
Konsumismus verstehen, jedoch von der zweiten Hälfte enttäuscht
werden, da diese sich nicht mehr der Kontinuität von anpassenden
Heranwachsenden und Ballermann-ähnlichem Antiintellektualismus
fügen. Diese Irreführung ist jedoch keine, die sich über das
Publikum stellt, sondern eine, die ihren Adressatenkreis
intellektuell herausfordert. Wer nicht den leisesten Zweifel an der
schäbigen Arglosigkeit der vier Mädels hatte, wird im Laufe des
Streifens eines Besseren belehrt. Die jungen Frauen beginnen in der
zweiten Hälfte, ihre Weiblichkeit über Autonomie zu definieren. Die einen verschwinden, weil ihnen die Drohungen des
Unberechenbaren Angst einflössen, die anderen stehen genau auf diese
Art von Thrill, für den ein dubioser Hedonist namens Alien
verantwortlich ist. Der von James Franco genialisch verkörperte
Charakter ist dabei eine Art Popkulturansammlung auf zwei Beinen. In
ihm verschmelzen lausigste Rapperklischees sowie platteste
Ghettoattitüden, eine Vielzahl seiner Gesten scheint mühsam
einstudiert zu sein und er vergöttert selbstverständlich den Film
SCARFACE, der bei ihm in Dauerschleife läuft. Er ist selbst zu einer
Oberfläche geworden, einer Wallpaper-Collage des amerikanischen
Traums, dem in SPRING BREAKERS nachgejagt wird. Harmony Korine stellt
vor allem die These auf, dass die spirituellen Neigungen in den
westlichen Gesellschaften, auch in den Staaten, sich verändert haben. Der
christliche Glaube wurde durch den Glauben an den Materialismus ersetzt.
Obschon also hier alles blitzt, strahlt und kein Stäubchen
auszumachen ist, besitzt der Film inhaltlich-programmatische
Verknüpfungen mit den weniger in Neonlichtfarben getauchten und von
bunten Bikinis bevölkerten GUMMO oder TRASH HUMPERS. Diese
Anklageschriften Korines richten sich gegen die Widersprüche des
weiß-amerikanischen Traums und natürlich seiner zahlreichen
Abgründe, in die er uns aus unterschiedlichen Winkeln blicken lässt. Selbst Britney Spears wird nicht ausgelassen und der Mensch, der sich mit mir den Film ansah, meinte nach dem Erlebnis dann auch, dass ihr Song Everytime ganz schön gefickt wurde. Gefickt. Ich dachte ein wenig über diese Anmerkung nach, dann wurde mir klar: Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.
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