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Acht Filme für einen Tag #4: Im Taumel der Filmwelt

Was war es schön, sich am 5. April 2019 wieder einmal mehrere Filme am Stück anschauen zu können. Ich mag insbesondere die Momente, in denen ich drei, vier oder fünf Filme ohne Pause schaue. Keine Unterbrechung begleitet das Ende des einen und den Anfang des anderen; keine geistige Auseinandersetzung findet direkt im Anschluss statt; kein langsames Zerkauen des Gesehenen. Ich liebe diese Art von Flow, der sich irgendwann in einen Rausch steigern kann, sodass man gar nicht aufhören möchte mit einer der schönsten Betätigungen, die es gibt. Das kann man sich nicht oft leisten, weder zeitlich noch aus Liebe zum Film. Denn natürlich sind Filme nicht da, um verschlungen zu werden. Aber ab und zu kann man sich das schon gönnen. Sollte man vielleicht sogar.


Möglicherweise ist es der bis hierhin abwechslungsreichste Marathon, den ich gemacht hab. Dennoch kann man einen klitzekleinen Schwerpunkt ausmachen: internationale Filme der Sechzigerjahre. Die Selektion der Filme geschah relativ spontan und wurde darüber hinaus mit glücklichem Händchen geführt. Einzige Ausnahme stellt jedoch ZOMBI 3 dar, der mir spätestens nach 60 Minuten gehörig auf die Nerven ging.

1. THE INVITATION
R: Karyn Kusama, 2015

2. TEOREMA (Teorema - Geometrie der Liebe)
R: Pier Paolo Pasolini, 1968

3. TAIJI GA MITSURYÔ SURU TOKI (ET: The Embryo Hunts in Secret)
R: Kôji Wakamatsu, 1966

4. JACK AND JILL (Jack und Jill)
R: Dennis Dugan, 2011

5. ZOMBI 3 (Zombie III)
R: Bruno Mattei/Claudio Fragasso/Lucio Fulci, 1988

6. VIJ
R: Konstantin Jerschow/Georgij Kropatschjow, 1967

7. BOUND (Bound - Gefesselt)
R: Lana & Lilly Wachowski, 1996

8. CITY FOR CONQUEST (Im Taumel der Weltstadt)
R: Anatole Litvak, 1940

Los ging es um ca. 9.30 Uhr.

THE INVITATION - Der Film von Karyn Kusama ist keiner, der die möglichen Kniffe des Kammerspiel-Horrors um eine Sekte außer Kraft setzt, aber sich an diesen Kniffen spielerisch entlang orientiert. Unser Protagonist Will hat einen kleinen Sohn bei einem Unfall verloren, woraufhin es zu einer Trennung von seiner Frau kam. Diese lädt Will zwei Jahre später mitsamt seiner neuen Freundin zum Abendessen in ihr Haus ein, welches sie mit ihrem neuen Lebensgefährten bewohnt. Eingeladen werden auch alte Freunde und Bekannte, die man schon viele Jahre nicht zu Gesicht bekommen hat. Doch Will merkt, dass etwas nicht stimmt. Spätestens als der Lebensgefährte ein Video zeigt, auf dem zu sehen ist, dass beide Abendveranstalter zu einer Sekte gehören, die auf Tod und Jenseits schwört, steigert sich das paranoide Gefühl der Hauptfigur ins Extreme. Hat er recht oder ist es nur seine Psyche, die durch die Erinnerung an den Tod des Sohnes verrückt spielt? Mit einfachsten Mitteln und Drehbuchkniffen gibt es Suggestionen und Hinweise auf Bedrohlichkeiten, für die man auch als Zuschauer höchst empfindlich ist. Wir können uns leicht mit der Hauptfigur identifizieren, weil sie den paranoiden Blick des Zuschauers einnimmt, der weiß, dass etwas passieren wird, aber nicht wann. Doch wir werden, genau wie eben der Protagonist, in die Irre geführt, fangen an zu zweifeln und fragen uns sogar, ob wir den Veranstaltern, die diesen doch eigentlich herrlichen Abend toll organisiert haben, nicht bloß unrecht tun. Ist der Schrecken nur Trug, die Angst eine Summe unserer Vorurteile? THE INVITATION schließt inhaltlich an Ti Wests THE SACRAMENT und räumlich-atmosphärisch bediente man sich wohl am ehesten beim Sci-Fi-Mystery-Labyrinth COHERENCE von James Ward Bykrit. Ein guter Einstiegsfilm.

TEOREMA - Als hätte Bunuel zurück auf die Pfade der Religion gefunden und auf dem Weg dorthin den Marxismus verinnerlicht. Der Rest steht in meiner Kurzkritik.

TAIJI GA MITSURYÔ SURU TOKI - Über viele Jahre lag die Kopie des Films bei mir und dieser Filmmarathon bot mir jetzt endlich die passende Gelegenheit, mich von meiner Unwissenheit zu befreien. Was ich sah, war das, was man von Wakamatsu aus dieser Entstehungsperiode auch sonst kennt: Sex, Gewalt, Geschlechterantagonismus. Halblyrische Bilder wechseln sich dabei mit Grausamem ab, wenn die Elemente nicht sogar vermischt werden, und gut endet es selbstverständlich nicht. Wer nichts gegen solche Entwürfe hat, kann in meinen Augen den japanischen Regisseur nicht nicht mögen. Ich habe mittlerweile drei Filme von dem Herrn gesehen und dies ist wahrscheinlich mein liebster. Der Rest steht in meiner Kurzkritik.


Nach so vielen nihilistischen Untiefen brauchte ich ein Film mit viel Herz.

JACK & JILL - Sehr häufig, wenn ein Film mit Adam Sandler endet, wünsche ich mir, dass wir durch die Zeit reisen könnten. Dann würde ich nämlich gerne 50 oder 80 Jahre vorwärts springen und die Menschen befragen, was sie von diesem Herrn und seinen Komödien halten. Werden sie uns beneiden, weil wir seine Karriere und seine Filme auf der großen Leinwand und ohne zeitliche Distanzen mit verfolgen konnten, während viele Jahrzehnte später möglicherweise einige Werke verschollen sein werden? Oder werden sie sich fragen: How did this get made? JACK & JILL ist heute berüchtigt für sein besonders schlechtes Abschneiden bei der Kritik, welche ihn mit den Zähnen der Wörter zerfleischte. Es gibt Webseiten, die ihn irgendwo weit oben auf einer Liste der schlechtesten Filme sehen und seine Ausbeute bei der Goldenen Himbeere 2012 ist legendär, da er in absolut jeder Kategorie gewann. Selbst Al Pacino, der meiner Auffassung nach eine gute Performance an den Tag legt, wurde bei dieser Veranstaltung als worst supporting actor ausgemacht. Zwar weiß ich, dass Sandler-Komödien scheinbar ständig unter dem Niveau der Kritikerschar sind, doch hatte ich das Ausmaß, welches mit JACK & JILL verbunden ist, nicht mehr im Kopf, als ich ihn in das Discfach einwarf. Vielleicht war das besser so, konnte ich mich auf diese Weise mit einer relativen Unvoreingenommenheit einem Werk nähern, das zu seiner Veröffentlichung den Hass auf sich zu vereinen schien. Den Film finde ich nicht nur sympathisch, sondern auch gelungen. In ihm verbrüdern sich menschliche Wärme und ein humanistischer Ausblick, der den zynischen Haltungen, die die Presse so gern formuliert und kopiert haben möchte, mit entschiedener Haltung widerspricht. Dugan und Sandler machen dabei natürlich auch nicht vor humoristischen Anspielungen auf die Launen einer bestimmten Körperöffnung halt, womit sie sich in den Augen vieler Gegner anscheinend ins Abseits schießen. Kann ich absolut nicht verstehen. Man muss darüber nicht lachen, aber wieso Furz- und Kakawitze so gerne als Markierung genommen werden, die es nicht zu überschreiten gilt, ist mir schleierhaft.

Nach so viel Herz brauchte ich wieder etwas Düsteres. Da gab's doch was von Fulci, oder etwa doch nicht? 

ZOMBI 3 - Über 10 Jahre lag die erste Berührung mit diesem Film her und aus irgendeinem Grund wollte ich die Bilder, die ich von ihm noch in Erinnerung hatte, auffrischen. Eine durch und durch dumme Idee, denn der Streifen vermag keinen einzigen interessanten Einfall, kein nennenswertes Bild zu kreieren. Ich bin schon viel umhergekommen im Zombiegenre, kenne viele Niederungen dieser Spielart und gehöre wahrscheinlich zu den wenigen Menschen, die sich für Francos OASE DER ZOMBIES vor einen Bus schmeißen würden. Doch ZOMBI 3 hat mir mit seinen wie zufällig durcheinander geworfenen Referenzen, Charaktermotivationen und Zombieszenen einiges an Energie abverlangt. Eine zweifelhafte Mixtur ist es, die Claudio Fragasso und seine Frau Rossella Drudi da auf die zwei, drei Drehbuchseiten gezaubert haben. Verwurstet wurden unter anderem Motive aus DAY OF THE DEAD, DAWN OF THE DEAD, RETURN OF THE LIVING DEAD, THE CRAZIES, Hitchcocks THE BIRDS und NIGHT OF THE ZOMBIES. Allerdings wurden die Elemente so derart beliebig zusammengepappt und inszeniert, dass man von keiner Ehrerweisung sprechen kann. Vielmehr handelt es sich um eine mindestens zweifelhafte Aneignung, aus der man Kapital schlagen wollte. Angeblich soll ja Lucio Fulci sogar einen nicht unbeträchtlichen Teil davon gedreht haben, bevor der auf Moneten schielende Produzent Franco Gaudenzi den berüchtigten Bruno Mattei in den Regiestuhl warf. Ganz ehrlich: Ich habe Fulci in keiner Einstellung erkannt und da ich seinen im gleichen Jahr erschienenen QUANDO ALICE RUPPE LO SPECCHIO ganz anders empfinde und schätze, muss ich mich doch über die Produktionsnotizen wundern, die angeben, dass der Mann überhaupt an dem Projekt beteiligt gewesen sein soll. Ich sehe überall nur den mancherorts gar nicht mal so unsympathischen Mief von Mattei und die grottenschlechte Schreibe von Claudio Fragasso. Dass sich Lucio Fulci von ZOMBI 3 distanzierte und es als ein Projekt von Idioten bezeichnete, finde ich jedoch höchst amüsant.

VIJ - Die Sowjetunion war nicht gerade bekannt dafür, Horrorfilme zu produzieren. Wer sich also innerhalb des Genres gerne nach Produktionen umguckt, die aus untypischen Teilen der Welt stammen, und dabei nicht wieder in Indonesien, Malaysia oder der Türkei landen will, kommt um den 1967 erschienenen VIJ kaum herum. Der beliebten märchenhaften Erzählung des Schriftstellers Nikolaj Gogol folgend geht es um Hexen, Dämonen und ein Wesen namens Vij. Wer oder was das ist, möchte ich allerdings nicht verraten. So weit ich mich an die Lektüre erinnern kann, bleibt der Film dieser treu. Allerdings ist die filmische Umsetzung kritischer der Kirche gegenüber, was natürlich der Zeit, in der sie produziert wurde, geschuldet ist. Der Film schaut mit seinen satten Farben prächtig aus und die Kulissen können das folkloristische Flair dieser Geschichte gut einfangen. Für die Ausstattung, das Make-up und die Effekte zeigte sich übrigens kein Geringerer als Alexander Ptuschko verantwortlich, den Menschen für seine vielen optisch durchdachten Märchen- und Fantasyfilme schätzen. Man muss ehrlicherweise jedoch sagen, dass der Film tricktechnisch auch aus den Vierzigern stammen könnte. Es ist insofern im besten Sinne ganz und gar altmodischer Horror, der der Genrezugehörigkeit vor allem durch seine Motive und Muster gerecht wird, nicht wegen des Grusels. Interessant ist der Streifen natürlich auch für alle, die mit Bavas einflussreichem LA MASCHERA DEL DEMONIO vertraut sind, verspricht dieser doch ebenfalls auf den Motiven der literarischen Vorlage von Gogol zu basieren.


Danach legte ich eine Pause von zwei, drei Stunden ein.

BOUND - Bevor die Wachowskis mit THE MATRIX ein wegweisendes Werk schufen, drehten sie den Kammerspiel-artigen BOUND, welchen ich als Neo-Noir mit lesbischem Einschlag bezeichnen würde und der schon allein aufgrund der Verquickung dieser Elemente sehenswert ist. In den Hauptrollen sind Jennifer Tilly und Gina Gershon zu sehen, deren Figuren sich kennenlernen, Sex miteinander haben und den teuflischen Plan schmieden, die Mafia um ihr Geld zu bringen. Der Film hatte es mit der Finanzierung sehr schwierig, weil die Studios keine Protagonistinnen haben wollten, die in eine Romanze verwickelt sind und sich auch noch sexuell austoben. Glücklicherweise sah Dino De Laurentiis keine Probleme in den Figuren, denn ansonsten hätte dieser schöne Film vielleicht nicht realisiert werden können. Der Filmtitel bezieht sich auf das Motiv des Gefangen- bzw. Gebundenseins, welches sich durch die 108 Minuten zieht. Neben den genannten Schauspielerinnen gefällt auch Joe Pantoliano, der in der Rolle eines gestressten und zum Ende hin ebenfalls nervösen Mafioso überzeugt. Ein starker Beitrag zur Darstellung nicht-heterosexueller Heldinnen, der clever bis raffiniert gefilmt ist und nicht zuletzt deshalb versteht, wie man erotisches Feuer in sinnliche Bilder einrahmt. Der erzählerische Modus, insbesondere wenn er die Stimmungen eines Thrillers mit Humoristischem verknüpft, lässt manchmal an die Coen-Brüder oder Quentin Tarantino denken, obschon ein Wille zur selbstständigen Inszenierung bescheinigt werden kann. Ihren Durchbruch, THE MATRIX, habe ich übrigens noch nie geschaut, da mich die Ästhetik, die man von Stand- oder Bewegtbildausschnitten kennt, nicht anspricht irgendwie. Diese Wissenslücke werde ich den nächsten Monaten hoffentlich schließen, vermute jedoch, dass es einer dieser Filme ist, von denen man sich nicht unbegründet ferngehalten hat. BOUND aber war eine Entdeckung wert.

CITY FOR CONQUEST - Bis in die Nebenrollen erstklassig besetztes Drama, welches von einem Boxer handelt, der seinen Bruder finanziell und moralisch dabei unterstützt, eine Symphonie über New York zu schreiben, während er mit ansehen muss, wie seine langjährige Freundin sich für ihre Tanzkarriere entscheidet und die eigentlich geplante Heirat abbläst. Ein Film über Träume, Hoffnungen auf Glanz und Glamour und künstlerische sowie soziale Aufstiegswünsche - aber auch die Abkehr von alledem -, komprimiert auf etwas mehr als 100 Minuten, die Anatole Litvak, mit marginaler Hilfe von Jean Negulesco, unaufgeregt zu inszenieren weiß. Besonders den gleichzeitigen Ereignissen, in denen verschiedene Figuren räumlich unterschiedlich angeordnet werden, entlockt man immer wieder dramatische Kurven. James Cagney, Ann Sheridan, Arthur Kennedy, Elia Kazan und Anthony Quinn sind in den wichtigsten Rollen zu sehen - aber auch Frank Craven als ein von der Stadt faszinierter Erzähler bzw. Kommentator, durch welchen der Film insbesondere in seinen Anfangsminuten an die später erschienenen semidokumentarischen schwarzen Krimis wie CRY OF THE CITY oder THE NAKED CITY erinnert. Es war meine zweite Begegnung mit dem Film, nachdem ich vor vier Jahren durch eine Empfehlung auf ihn stieß. Besonders beeindruckt hat mich wieder das Drehbuch, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Aben Kandel, das emotionale und psychische Logik nicht vermissen lässt und mit kritischen Argumentationen über Ruhm sowie die Dichotomie von Kunst und Unterhaltung zu gefallen weiß. James Cagneys Figur bekommt als tragischer Engel doch noch, was sie will (die Frau), aber eigentlich ist sie die ganze Zeit ein Mensch, der sich um Heldentum, sein Image oder seinen Status einen Dreck schert in dieser großen Stadt New York, welches mit Menschen bevölkert ist, die vor Ambitionen platzen.

Das war die vierte Ausgabe eines privaten Filmmarathons und ich kann schon mal sagen, dass einige wenige Tage später ich wieder in der Lage war, mir acht Filme innerhalb von 24 Stunden anzuschauen. Bald hoffentlich mehr dazu. Die Preisverleihung:

Ehrenpreis für die tollste Entdeckung: 
BOUND


Bester Film: 
TEOREMA

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