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Acht Filme für einen Tag #1: Wenn du viele Filme guckst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Am 19. Februar 2019 ergab sich ein spontaner Filmmarathon, mein erster dieser Art. Marathon ist eigentlich der falsche Begriff, aber ich mag ihn trotzdem. Spontan bedeutet auch, dass nichts im Vorfeld darauf ausgelegt war, fast den gesamten Tag nichts weiter zu tun, als Filme zu schauen, bis die Augen sich der rechteckigen Form des Flachbildfernsehers annäherten. Es geschah einfach. Meine bisherigen Versuche, acht oder mehr Filme innerhalb von 24 Stunden zu schauen, schlugen allesamt fehl. Was habe ich alles schon für großartige Programme zusammengestellt, teilweise gespickt mit Filmen, die sich durch möglichst viele Jahrzehnte und Genres ziehen. Was habe ich mir den Kopf zerbrochen! Den Chabrol-Thriller vor oder nach DOCTOR LITTLE 4 schauen? Ein ernsthafter Filmmarathon ist ja auch immer ein privates Filmfestival, und man selbst ist der Kurator. Trotz solcher Selbstgestaltungs- und Unabhängigkeitsromantik habe ich es nie gepackt. Mal kam die Müdigkeit dazwischen, mal war das Filmvergnügen suboptimal. Und dann gibt es ja auch noch Freunde und Familie, die die Pläne durchkreuzen können. Doch jetzt war es plötzlich ganz einfach, man hatte Bock, hatte frei und irgendwie war da diese Befindlichkeit, der anfassbaren Realität den Rücken zu kehren und sich in den Armen verschiedener Filmwelten fallen zu lassen. Nach sieben Filmen, denen ich mich quasi ohne eine Pause zu machen hingab, nur kurz von einem Zweistundenschlaf unterbrochen, musste ich dann aber auch mal raus. Leckeres italienisches Eis essen, mit zwei Freundinnen. Es war in jedem Fall schon ein hinreißendes Erlebnis nach draußen zu gehen, da man sich dabei zunächst in einem unvergleichlichen Dulliäh befand.


Wie man an der Filmauswahl sieht, ist es nicht der Tag der Filmliebhaber-Classics geworden. Eher handelt es sich um Werke neueren Datums, denen ich mich gewidmet hab. Ich habe dennoch mit den ersten sieben Filmen eine tolle Zeit erlebt, während gerade der letzte nicht die beste Wahl war.

1. BEFORE I FALL (Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie)
R: Ry Russo-Young, 2017

2. THE DARK TOWER (Der dunkle Turm)
R: Nikolaj Arcel, 2017

3. HELEN
R: Sandra Nettelbeck, 2009

4. PICNIC AT HANGING ROCK (Picknick am Valentinstag)
R: Peter Weir, 1975

5. BLUE RUIN
R: Jeremy Saulnier, 2013

6. CHÉRI (Chéri - Eine Komödie der Eitelkeiten)
R: Stephen Frears, 2009

7. I FEEL PRETTY
R: Abby Kohn & Marc Silverstein, 2018

8. AM ZIN 2 (Running Out Of Time 2)
R: Johnnie To & Law Wing-Cheung, 2001

Los ging es es gegen 0 Uhr.

BEFORE I FALL - Über diesen Film habe ich im Vorfeld nicht das Geringste gewusst und wurde schon allein durch die Prämisse überrascht, wenngleich meine geschulten Augen die Idee der Erzählform mit dem ersten Aufwachen der Protagonistin ziemlich früh entlarven konnten. Ein richtig toller Teenagerstreifen, der wichtige Fragen stellt und den Zuschauer nicht für dumm verkauft.

THE DARK TOWER - Ich erinnere mich an viele negative Kritiken, die sich der Fim gefallen lassen musste. Warum eigentlich? Der Fim mit Idris Elba und Matthew McConaughey ist stark fotografiert, bietet stringente Charakterentwicklungen und zieht auch emotional in seinen Bann. Dazu gibt es ein ums andere Mal wirkliche filmische Extravaganza zu erleben und herrliche One-Liner zu hören. Außerdem ist er doch locker einer der besten Superheldenfilme ohne faktische Superhelden.

HELEN - Ein ziemlich deprimierender Film. Die Regisseurin Sandra Nettelbeck kundschaftet alle inneren und äußeren bzw. zwischenmenschlichen Regionen einer Frau aus, die an schwerer Depression leidet. Ohne Subtilität zwar, aber man muss ihre Arbeit dafür loben, dass die Charaktere mit genug Grautönen gesegnet sind. Das fesselt.


PICNIC AT HANGING ROCK - Der einzige Film an diesem Tag, der mir nicht neu war. Viele Filme an diesem Acht-Filme-Tag besitzen eine Frau als Hauptfigur oder spielen in einem Umfeld von Frauen. Diese Regiearbeit von Peter Weir passte also wie angegossen in das eigentlich nicht vorhandene Konzept. Sie gefiel mir auch bei meiner mittlerweile dritten Sichtung außerordentlich und ich bin immer noch der Meinung, dass ich mir die plötzliche Hitze im Zimmer nicht eingebildet hab, die da von den Felsen des Hanging Rock herüberschwappte.

Es musste gegen 7 Uhr früh gewesen sein und ich ließ mich erstmal von der Müdigkeit überrollen.

BLUE RUIN - Brett. Aber das habe ich von einem Saulnier-Thriller auch erwartet, halte ich seinen HOLD THE DARK doch für pure Lyrik und THE GREEN ROOM für ein unwiderstehliches Spiel mit den Formen der Gewalt und dem Thrill. Bei diesem Film standen die Coen-Brüder in jedem Fall Pate und der Regisseur gibt sich nicht einmal die Mühe, das zu verdecken. Ich verstehe, dass man das komplett kacke finden kann oder gelangweilt dem Treiben zuschaut, aber als ich den nach einem kleinen Nickerchen eingelegt hab, riss er mich sofort mit.

CHÉRI - Kostümdramödie mit einer verführerischen Michelle Pfeiffer, die eine Kurtisane spielt. Die verschwenderische Ausstattung, die gleichzeitig auch symbolische Zuschreibungen beinhaltet, ist ein wahrer Segen und auch auf der narrativen Ebene macht der Film nicht viel verkehrt.


I FEEL PRETTY - Eine flotte (Liebes-)Komödie über die Kraft des Selbstbewusstseins. Natürlich mit üblichen Genrekonventionen gespickt und nicht ohne schmalzig-ideologische Muntermacher-Reden. Dennoch wartet der Film mit unerwartet tollem Pacing, kleineren Dekonstruktionen und irgendwie sympathischen Flausen auf. Doch der größte Clou des Regie-Duos ist es, die Wahrnehmung der Protagonistin nicht zu visualisieren und jeden Zuschauer seine eigenen Bilder kreieren zu lassen. 

Um 16.00 Uhr Eis gegessen.

AM ZIN 2 - Als großer Bewunderer von Johnnie To hat mich dieser Film kaltgelassen und ich weiß schon sehr gut, warum ich ihn seit bestimmt mehr als sieben Jahren ungesehen auf DVD rumliegen hab. Man merkt in jedem Fall, dass To diesen Katz-und-Maus-Thriller leider nicht allein inszeniert hat. Eigentlich kein würdiger Abschluss dieses grandiosen Filmtags, aber danach war ich zu schlapp, um mir noch etwas anzuschauen.

Die Gelegenheiten, weitere lange private Filmtage zu machen, lassen hoffentlich nicht lange auf sich warten. Zum Schluss noch die Preisverleihung dieser ersten Ausgabe:

Ehrenpreis für eine tolle Wiederguckerfahrung: 
PICNIC AT HANGING ROCK


Bester Film: 
BLUE RUIN






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