Deutschland/Frankreich, 1976
Genre: Drama
Regisseur: Eric Rohmer
Darsteller: Edith Clever, Bruno Ganz
Marquise von O., Tochter eines Kommandanten, wird schwanger, weiß jedoch nicht von wem. Daraufhin verstoßen ihr Vater und ihre Mutter sie aus dem Haus. Die Marquise gibt ein Zeitungsinserat auf, indem sie den Vater des Kindes dazu aufruft, sich bei ihr zu melden.
Wort für Wort
Kommentar: Eine Literaturverfilmung, die "Wort für Wort" dem Original folgt, kann man sich eigentlich kaum reizvoll vorstellen. Bleibt da nicht die künstlerische Leistung des Regisseurs auf der Strecke? Ist eine Bebilderung einer vorformulierten Geschichte eines verstorbenen Schriftstellers nicht etwas unheimlich Triviales? Im Fall von DIE MARQUISE VON O. kann man diese berechtigten Fragen nur mit einem klaren Nein beantworten, was sowohl an der Vorlage von Kleist selbst, als auch an ihrer Übertragung ins Medium Film liegt. Zuerst einmal handelt es sich bei der Vorlage um eine Novelle, die im Prinzip keine unverfilmbaren Elemente enthält und für den Durchschnittsleser in einer Zeit zu meistern ist, der der durchschnittlichen Länge eines Spielfilms entspricht. Was aber speziell für Rohmers Arbeit spricht, ist die Überführung der theaterhaften Sprache der Novelle mithilfe einer stilisierten Inszenierung, die die Originalatmosphäre bei Kleist in den Film von Rohmer transferiert. Und: Las sich die Geschichte um Emanzipation, Ehre und Moral im kleistschen Buchstabenkosmos noch beinahe wie aufregende Spannungsliteratur, radiert Regisseur Rohmer diesen Bestandteil durch das Informationssplus der Bilder aus, womit er die Originalatmosphäre der Vorlage neu ausrichtet, die Dramatik herausnimmt, den ironischen Unterton unterstreicht, und stärker für Vernunft sowie Anstand plädiert. Grenzenlos genial, Buch wie Film.
8/10
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