USA, 2003
Genre: Thriller, Action
Regisseur: Michael Bay
Darsteller: Will Smith, Martin Lawrence
Die beiden Detectives Marcus Burnett und Mike Lowrey arbeiten in einer Sondereinheit, die eine große Lieferung von Ecstasy nach Miami verhindern soll. Parallel zu diesem Auftrag arbeitet Lowreys Schwester Sydney als Undercoveragentin ebenfalls daran, dem mächtigen Drogenboss Tapia das Handwerk zu legen. Doch neben der Schwierigkeit, darauf aufzupassen, dass die Verbindung zwischen ihnen und Sydney nicht aufgedeckt wird, muss das chaotische Duo auch noch ihre eigenen kleinen Zwistigkeiten beiseitelegen - und das mitten in der Jagd nach brutalen Verbrechern.
Jenseits von jenseits von Gut und Böse
Kommentar: Es gibt Filme, die gibt's nicht. Man will das jedenfalls manchmal als Cineast glauben, wenn man sich Erzeugnisse von dümmlichster Art anschaut und sich darüber wundert, warum es sie überhaupt gibt. In meinen Augen ist BAD BOYS II solch ein Beitrag, der für unmöglich gehaltene Grenzüberschreitungen doch wahr werden lässt, zumindest für die Zeit, die er dauert. Denn danach will man am liebsten nichts mehr von ihm wissen, man möchte ihn am liebsten vollständig aus dem Kopf raus haben. (Hiermit sei verraten, dass so etwas in den wenigsten Fällen gelingen kann, zumal ich von speziellen Therapiebehandlungen für passionierte Kinomenschen noch nichts mitbekommen hab.) Michael Bays einfältig geratene Stunt-Operette leidet eben an allem, an was ein Film nur leiden kann. Dies schafft in der Theorie durchaus die Voraussetzung dafür, dass man die Möglichkeit der Trash-Rezeption dazu nutzt, die miese Qualität des Streifens zu bemitleiden, und sich irgendwie darüber zu freuen - doch funktioniert das im Falle von BAD BOYS II aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht, oder nur bis zu einem gewissen Grad.
Ein Argument, das dagegen spricht, ist die kalte und leidenschaftslose Aufstellung aller Elemente, die doch nur dazu da ist, die Masse ins Kino zu ziehen. Das sind, optimistisch gesehen, doch nur Reißbrett-Visionen von kühlen Technikern, die alles streng um die beiden Detectives Burnett und Lowrey herum formierten, womit alles außer den zwei Haudrauf-Kollegen keine Rolle spielt, ja unnütz wird. Schließlich sollte die männliche Zielgruppe erreicht werden, die Ego-Fantasien braucht. Bedauerlicherweise hatte man den Figuren erlaubt, dieses Verhältnis - wir der Mittelpunkt, ihr nichts - konsequent zu missbrauchen. Die Folge ist, dass ihre Umwelt als vernachlässigbarer, würdeloser Plunder gilt, mit dem man machen kann, was man möchte. Und das gilt nicht nur für leblose Objekte.
Dabei hat BAD BOYS II sowohl Zutaten, die einem einen schönen Unterhaltungsabend bescheren könnten, als auch eine inhaltlich einfache Geschichte, mit der man sich sehr gut anfreunden kann. Wir haben ein eingespieltes Buddy-Duo, das Jagd auf Drogenbosse macht und ihnen versucht, das Handwerk zu legen. Wir haben skrupellose Verbrecher, die miese Geschäftspartner schon mal in Stücke schneiden und gerne ihren Stoff in Leichen verstecken. Hinzu gesellen sich nach und nach mehrere Verwicklungen, die gelöst werden müssen, wie etwa die Zwistigkeiten zwischen den beiden Detectives, welche in einer Krise zu stecken scheinen. Auf dem Bild geht auch stetig die Post ab, immerzu ist es höchste Eisenbahn und irgendjemand scheint hier ständig irgendwo auf der Pirsch nach irgendwas zu sein. Vom theoretischen Standpunkt finden wir in BAD BOYS II im Grunde Popkorn-Charisma wie aus dem Lehrbuch vor: Effektinszenierungen, massenhaft verbeulte Boliden, Schießereien und teilweise sehr lange Verfolgungssequenzen vermitteln die Erfüllung der Erwartung, dass man bei diesem Film sein Gehirn ruhig auf den energiesparenden Arbeitsmodus stellen darf. Doch diese Ereignisse und Spektakel, jedes Mal kurz unterbrochen von den Tempo lähmenden Dialogen, sind dummerweise keine schlichten Variationen der Bumm-Bumm- oder Peng-Peng-Ausuferungen, welche der idealistischen Haltung der Hirnarbeit verweigernden Filmguckgemeinschaft in die Hände spielen würden. Vielmehr wird durch diesen Film mehr als deutlich, warum Unterhaltung nicht einfach Unterhaltung ist.
Neben dem grausam schlechten Editing und einem dramaturgischen Konzept, das man als regelmäßiger Filmkonsument mehr oder weniger schon auswendig gelernt hat, gibt es in BAD BOYS II auch ein ziemlich fragwürdiges Menschenbild. Selten vergehen zehn Minuten am Stück, in denen wir es nicht mit unheimlichen, dümmlichen oder widerlichen Geschmacklosigkeiten zu tun kriegen. So werden etwa Pistolenkugeln in dumpfer Zeitlupen-Ästhetik gezeigt, und wie diese sich durch Körperteile und Köpfe fressen, damit der Zuschauer den Tod von Menschen auch prima auskosten darf; wir sehen aber auch zum Beispiel, wie die Detectives einem Kleintransporter hinterherjagen, aus welchem Leichen herausfallen, die unsere zwei Recht und Ordnung durchsetzenden Knallköpfe aber nicht kümmern und über die auch drübergefahren werden kann, bevor man sich danach einer auf der Windschutzscheibe gelandeten Leiche mittels pfiffiger Fahrskills entledigt - oder, wenn wir es weniger brutal wollen, können wir einige Minuten später dabei zuschauen, wie sie sich in der Leichenkammer über die großen Brüste einer toten Frau amüsieren.
Doch bekommen wir diese Aufnahmen nicht kontextlos zu sehen, sondern ganz im Zeichen der Coolness - und zu dieser Coolness, wie es uns der Film suggeriert, gehört anscheinend dazu, dass man seine Umwelt nicht ernst nimmt. Die Achtung der Würde bzw. die Aufrechterhaltung des Anstands ist halt eine Schererei und stört, gerade dann, wenn man sich im Kampf gegen Drogenbosse befindet. So könnte man den Film begreifen, der heimlich einen Kreuzzug gegen menschliche Werte zu führen scheint, denn der Mensch wird hier mehrmals eindeutig degradiert und zu einem Objekt gemacht. Es ist allerdings nicht so, dass einzelne Szenen sowie das Coolness-Gehabe an sich zu solch einer deutlichen Kritik führen. Es ist vielmehr die Summe der Teile, die einen hochschrecken lässt. Es kommt allerdings noch erschwerend hinzu, dass hier ein Verhalten von Hütern der Gesetze dargestellt wird, das einfach nicht hinnehmbar ist; nicht, weil es nicht sein darf, sondern weil sie für ihre Verfehlungen nicht bestraft werden, um die Tatsachen noch geschönt auszudrücken.
Denn in Wahrheit wird man in dieser von Bay und seinen Drehbuchschreibern entworfenen Welt für große und kleine Jungs für all den bizarren Buddy-Spaß und für all die diffamierenden Entgleisungen sogar noch belohnt. Will Smith, der den playboyhaften und Sportwagen liebenden Detective Marcus Burnett spielt, darf noch obendrein seine Herzensdame retten und sie als Trophäe einsacken. Frauen, in Hollywood-Produktionen mit klarem Männerüberschuss nicht selten bloß ein schmückendes Beiwerk, haben in BAD BOYS II ohnehin kaum etwas zu sagen und können scheinbar auf nicht auf sich selbst aufpassen. Martin Lawrence als Detective Mike Lowrey kriegt aus diesem Grund auch eines Tages Panik und Bauchweh, schließlich hat seine adoleszente Tochter ein Date. Und weil er nicht dabei sein kann, um aufzupassen, dass alles artig abläuft, knöpft er sich mit seinem Buddy den jungen Mann vor, der sich mit seiner Tochter verabredet hat. Was dann folgt, ist ein Fall für die Anstalt, und wer es nicht gesehen hat, der wird es kaum glauben. Es reichte den Machern scheinbar nicht, die Stelle so zu schreiben, dass dem Jungen nur zivilisiert eingetrichtert wird, dass er beim Treffen seine Hände von dem Mädchen lassen soll. Was wir stattdessen zu sehen bekommen, ist ein Pubertierender, der von zwei erwachsenen Vollidioten fertiggemacht, bedroht und mit Anspielungen verschiedenster Art zum Gehorsam gebracht wird. Auch in dieser Sequenz spiegelt sich das ekelhafte Menschenbild wider, und wie viele andere Sequenzen in diesem Film, erfüllt auch sie keine nennenswerte Funktion - sie ist einfach nur da. Damit wir sehen, was cool sein soll.
Michael Bay hatte ein dickes Budget zur Verfügung und so darf man nicht verwundert sein, dass er es hier ordentlich krachen lässt. Standen für den ersten Teil noch geschätzte 19 Millionen zur Verfügung, durfte die Herstellung von BAD BOYS II etwa 130 Millionen Dollar kosten, was Bay viele Freiheiten gab, die er selbstverständlich nicht ungenutzt sein lassen wollte. Dennoch muss man zugestehen, dass die Macher ihren Film nicht mit Schlachten vollstopften und damit auf Nonstop-Actionkino setzten. Es wird sogar die Anstrengung gemacht, die Beziehung zwischen den Buddy-Cops unglatter sowie realistischer zu machen und sie mit einigen Komplikationen zu konfrontieren, die ihren freund- und partnerschaftlichen Bund auf die Probe stellen. Allerdings bleibt es nur bei einer Anstrengung, denn von markanten Auswirkungen dieser Konfrontationen bleiben Zuschauer und Charaktere natürlich immer verschont. Gar nicht davon zu sprechen, dass sich die Konflikte zum Ende in Luft auflösen und die bewährte "We ride together, wie die together"-Logik fortgeführt wird. Die Schattenseiten dieses misslungenen Verkomplizierungs-Ansatzes bekommt der Zuschauer dann auch ordentlich in der Laufzeit zu spüren, schließlich dauert der Film satte 141 Minuten (147 Minuten in der Originalversion!). So leisten die teils sinnlosen bzw. keinen wirklichen Mehrwert schaffenden Gespräche zwischen den lauten Effektshows also auch ihren üppigen Beitrag zur Folterqualität.
In der fünften Konsolen-Generation (PlayStation, Nintendo 64, Sega Saturn) hat sich in vielen Spielegenres ein bewährtes Muster durchgesetzt, wie ein Game grob gesehen abläuft: wir erledigen eine Mission oder kommen an einem bestimmten Punkt an und schauen uns dann als Belohnung einen Videoclip an, der uns sagt, wie es weitergeht - im besten Fall spinnt er sogar eine Geschichte fort, führt Charaktere ein und wird damit als narratives Element gebraucht. Genauso muss man sich BAD BOYS II vorstellen, wo unseren Augen eine Mission nach der anderen gezeigt und jede einzelne dieser Missionen durch eine Ruhepause abgetrennt wird. In bester Videospiel-Manier schreibt man also in diesen kurzen Unterbrechungen die Handlung fort und aktualisiert oder justiert ihre Elemente, bevor dann eine neue Zielmarkierung gesetzt wird und wir wieder massig Action zu sehen bekommen. Mag sein, dass Bays Film nicht der einzige ist, der nach diesem Prinzip arbeitet, aber so knallhart umgesetzt und völlig auf die Spitze getrieben, wie es hier der Fall ist, habe ich selten oder wahrscheinlich auch noch gar nicht gesehen. Mit diesem Krawallwerk ist wahrlich ein grenzüberschreitender Film gelungen, der jenseits von jenseits von Gut und Böse ist, womit er das Spektrum des Unterhaltungskinos auf eine seltsame Art und Weise dann doch bereichert. Die Entscheidung, ob man diese Bereicherung jedoch gut findet, liegt selbstredend bei jedem selbst.
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