Mario Lacruz
(Auf Abendwegen, 1955, Spanisch)
Wurde in drei Sprachen übersetzt |
Lacruz' Roman wurde nach seinem Erscheinen von spanischen Literaturexperten gelobt und machte den Mann, der vorher vor allen Dingen als Verleger bekannt war, auch als Schriftsteller zu einer wichtigen Marke. Mit der Kraft poetischer Töne ist AUF ABENDWEGEN eine melancholische Erzählung über Stolz und Niedergang, Begehren und Nachlassen, Versammeln und Auseinandergehen geworden, durch die man sich niemals durchkämpfen muss, weil es keine langatmigen Passagen gibt, die der Lesefreude einen Strich durch die Rechnung machen. Mit zwei unterschiedlichen Erzählinstanzen spielend, einer Innen- und einer Außensicht, steht die Figur des David René überdies niemals unter Verdacht, eindimensional geraten zu sein. Allerdings könnte es hierbei die Krux geben, dass man sich als Leser nicht sofort damit anfreunden kann, weil man von anderen Büchern einen unkomplizierteren Stil gewohnt ist. Hat man diese kleine Hürde jedoch genommen, stehen einem die Gedankenreiche des Protagonisten sowie der Blick des auktorialen Erzählers aber vollständig offen, und man kann jeder Enthüllung und Erinnerung perfekt folgen.
"Früher oder später kommt ein Moment, in dem wir zuverlässig wissen, dass die Möglichkeit des Unvorhergesehenen nicht mehr in unserem Leben wirken kann, und von diesem Moment an werden wir alt."
Über Erinnerungen bewegt der Roman das Nichterzählte, das manchmal Verdrängte oder Unausgesprochene an die Oberfläche. Erst nach und nach erfahren wir, was mit einigen der im Roman beschriebenen Personen geschehen ist, von denen wir die meisten erst im letzten Drittel in der Jetztzeit des Buches erleben, da sie für uns vorher vornehmlich nur als Skizzen aus der retrospektiven Sicht Davids vorgestellt wurden. Dennoch nehmen wir von diesen Nebenfiguren selten mal mehr als einen Umriss wahr. Selbst Clementina, die heimliche zweite Hauptfigur des Buches, bleibt hinter den Erwartungen zurück, die man an sie vor dem ersten, nach langer Zeit erfolgten Zusammentreffen zwischen David und ihr gestellt hat. Doch möglicherweise unterwandert gerade David die Erwartungen, weil er die Beziehung anders anpackt, als man es erwartet hat. Er geht am Ende einige Schritte zurück, seine Situation wirkt psychologisch verzwickt, er ist ganz und gar nicht glücklich und trotzdem artet das Buch auf den letzten Seiten nicht in Selbstmitleids-Geflenne aus.
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