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Joey (1985)


JOEY
Regisseur: Roland Emmerich
Deutschland/USA 1985

Undurchschaubare Pfade

Der neunjährige Joey hat kürzlich seinen Vater verloren und ist voller Trauer über den Verlust. Eines Abends nimmt er jedoch Kontakt mit seinem verstorbenen Vater mittels eines Spielzeugtelefons auf. Dumm nur, dass seine Mitschüler dies erfahren und ihn fortan ärgern. Außerdem macht sich seine Mutter immer mehr Sorgen um ihn, weil sie befürchtet, ihr Sohn könnte durch die angeblichen Telefonate mit seinem Vater den Bezug zur Realität verlieren. Das allerdings ist bloß die knochige Prämisse, an der noch kein Fleisch dran ist. Denn aus JOEY hätte man gut und gerne dreißig Filme machen können, so wahnsinnig er hier auf den begrenzten Fundus des amerikanischen Kinderfilms und Familienhorrors der Achtzigerjahre ejakuliert. Na gut, vielleicht sind es nur zwanzig. Jedenfalls traut man Roland Emmerich nicht zu, zur Zeit der Entstehung mehr als zehn Filme in seinem Leben gesehen zu haben. E.T. THE EXTRA-TERRESTRIAL und POLTERGEIST waren in jedem Fall dabei. Vielleicht auch noch CLOSE ENCOUNTERS OF THE THIRD KIND? Doch Roland Emmerichs Abklatsch Spielbergscher Sehnsüchte fehlt jedes Gespür für Psychologie, Bildsprache und Akzentuierung. Stattdessen besitzen Szenen die alleinige Funktion, um der Effekte und des Handlungsfortschritts willen gemolken zu werden. Mäßigungen im Tempo oder Verflachungen von Energien möchte der Regisseur aus Stuttgart vermeiden, denn das würde den Budenzauber ausbremsen, dem er sich verpflichtet hat und den er spätestens ab den Neunzigern bis zum Ohnmacht provozierenden Exzess treiben wird. Sensationslüstern widmet er sich so dem Verlusttrauma seiner Hauptfigur, die nach der Einführung an Farbe verliert und nicht nur hinter das Spektakel, sondern auch Genre- und Familiendramafloskeln eingeordnet wird. Dass JOEY trotz allem jedem schaulustigen Cinephilen ans Herz zu legen ist, begründet sich durch seinen undurchschaubaren Pfad, welcher sich im Laufe gar mehrmals verzweigt. Neumodisch könnte man das hier schon als Mindfuck ansehen, als hysterisches Übereinanderlegen von Genres und Erzählmustern sowie ihrer Verwischung. Er tut immer noch was oben drauf und bleibt ein verschlüsselt-verschrobenes Kabinett der Kuriositäten. Hier ein sich bewegender Riesenburger, dort eine verflucht gruselig ausschauende Bauchrednerpuppe und auf dem Tisch der gute alte Heinz Tomatenketchup. Ständig passiert etwas Neues und ganz egal, wie man sich den Lauf der Handlung ausmalt, es kommt immer ganz anders. Wenn man hier fünf Minuten verpasst, ist der Film schon vierzig Minuten weiter. Aber auch wenn man keine Cola aus dem Kühlschrank holt oder kurz mal ein Auge zudrückt, wird man die Hände über den Kopf zusammenschlagen und sich die Frage stellen, wieso man den Abend eigentlich nicht mit leichterer Kost ausklingen lassen wollte. Mit Lynchs LOST HIGHWAY, Carruths PRIMER oder Tarrs A TORINÓI LÓI zum Beispiel.

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