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Mr. Beans's Holiday (2007)

MR. BEAN'S HOLIDAY
(Mr. Bean macht Ferien)
Regisseur: Steve Bendelack
Frankreich/UK 2007

Den Schauspieler Rowan Atkinson assoziiert man in Deutschland in erster Linie mit dessen Kunstfigur Mr. Bean und dem gleichnamigen Serienformat, in welchem er über seinen eigenen Alltag stolperte. Ich habe mich als 10-Jähriger jedenfalls immer sehr gefreut, ihn im Fernsehen zu sehen. Mit seiner Fratzen schneidenden Gesichtsgymnastik und dem leichtfüßigen, manchmal gänzlich infantilen Slapstick ist er auch heute noch ein perfekter Zuschauermagnet, da er jede Altersklasse anzusprechen vermag, weshalb Sender nicht müde werden, seine Serie zu spielen, obwohl diese aus gerade einmal 15 Episoden besteht. Es ist auch kein Wunder, dass sich die Serie in fast alle Regionen der Welt verkaufen konnte, verzichtet sie doch fast gänzlich auf Verbales. Übersetzer? Synchronsprecher? Untertitelersteller? Brauchte es (fast) nicht. Innerhalb alltäglicher Installationen drückten Körper und Gesicht dieses komischen Kauzes alles aus, was man wissen musste, um dem Witz nicht entkommen zu können. Die Idee, einen abendfüllenden Film zu machen, der auf einer Sendung basiert, die sich aus Sketchnummern um einen mit normalen Situationen bereits überforderten Kerl zusammensetzt, war für viele möglicherweise schon der größte Lacher, den sie im Zusammenhang mit Beans erstem Film BEAN: THE ULTIMATE DISASTER MOVIE (1997) hatten. Die Kritik verriss den Film größtenteils und man sprach nach der Sichtung das aus, was man auch schon vor der Sichtung wusste, nämlich dass das Konzept der Figur nicht dazu taugt, Handlungsbögen und Akte adäquat zu füllen. Des Weiteren stellte man sich irritiert die Frage, warum Bean überhaupt auf einmal einen Wortschatz besitzen musste. Trotz sehr guter Einspielergebnisse vergingen jedoch ganze zehn Jahre, bis ein Sequel das Licht der Welt erblickte. Sicherlich auch wegen Darsteller Atkinson, der der Figur und seiner Verbindung zu ihr ein wenig überdrüssig wurde.   

Das Setting der Kirche, das bereits in der Serie mehrfach genutzt wurde, verwendet man auch in den ersten Minuten dieses Films. Bei der festlichen Veranstaltung einer Kirchengemeinde gewinnt Mr. Bean bei einer Tombola eine Reise nach Cannes, dem Ort des bekanntesten Filmfestivals auf europäischem Boden. Aber auch dem Ort, an dem das Meer so blau, der Strand so sauber zu sein scheint, dass er auch eine Erfindung sein könnte. An dieses Meer möchte Bean unbedingt hin, unser Held wider Willen, der zusätzlich zu seiner Reise eine handliche Videokamera gewinnt, von der er im Laufe seines Trips gar nicht mehr die Finger lassen können wird. Eine Batterieanzeige, die Buchstaben S und P, welche Standard Play bedeuten, das Aufnahmesymbol in roter Farbe und eine eben Camcorder-typische Bildqualität - mehr benötigt eine Authentizitätserklärung gar nicht. Der moderne Mensch filmt seine Tragikomödie selbst und lässt die Kluft zwischen Stümperei und Genie immer winziger werden. Natürlich wird aus der Reise nach Cannes eine Odyssee, durch Restaurants, Marktstände, Landstraßen und Sprachen. Sprachen? Beans aktives Verbalisierungsniveau lässt sich dabei in drei Worten zusammenfassen: oui, non, gracias. Den Rest gestikuliert und mimt der Engländer auf seine eigene verschrobene Art, schließlich kennt man ihn als Mann der wenigen Worte. Zu ihm gesellen sich noch der Russisch sprechende Bub Stepan, den Bean zu seinem Vater zurückbringen möchte, und die Französin Sabine (den Namen Französisch aussprechen, denn die Ähnlichkeit von Bean und Sabine wird natürlich für einen Schenkelklopfer genutzt) mit der hübschen grünen Bluse und dem gelbgrünen Mini, bei dessen Anblick Mr. Bean natürlich nicht anders kann, als gedanklich zu schlackern. Die Schachtel mit Streichhölzern im Auto bewahrt unseren Antihelden davor, einzuschlafen und einen Unfall zu bauen und die Aufnahmen seines Camcorders die Kinozuschauer in Cannes, sich noch weiter einem prätentiösen Film aussetzen zu müssen.

Menschen, denen schon der erste Spielfilmausflug Beans nicht mundete, werden sich auch in MR. BEAN'S HOLIDAY wohl am liebsten vergraben und erst wieder herauskommen wollen, wenn die Katastrophe vorbei ist. Die Figur, die man aus der Serie kennt, wird nämlich der gnadenlosen Entzauberung ausgeliefert. Das Magische an dem Sketchformat war ja, dass Beans Trotteligkeit und seine Auffassung von der Welt und ihren Dingen in Zusammenhang mit alltäglichen Ereignissen vermischt wurden, die eigentlich kein Konfliktpotenzial bergen. Der Konflikt wurde erst durch das unkonventionelle Verhalten und die dümmliche Methodik Beans hergestellt. Wenn Mr. Bean allerdings im Film in die Welt hinausgeschickt wird, um einen Jungen dabei zu helfen, seinen Vater zu finden oder sich Geld zu verschaffen, weil Mittellosigkeit zu Hunger und Straftaten führt, verliert die Figurenkonzeption ihre komische Kraft, weil nicht mehr vom Aufeinandertreffen mit normalen Situationen gesprochen werden kann. Aber das ist keinesfalls ein Genickbruch, denn zum einen trägt der Film seinem ursprünglichen Figurenentwurf schon noch Rechnung, weil Serien-typische Sketchvignetten nicht gänzlich gestrichen wurden und zum anderen verstärkt sich durch das Nicht-Funktionieren vieler vermeintlich komischer Szenen das Gefühl des Fremdschämens massiv, welches schon den TV-Sendungen zum Auftrieb verhalf, aber dort nicht so stark im Fokus stand. An diesen Stellen des Films klebt etwas Avantgardistisches dran, da überlebt ein Stück sympathisch-exzentrischen Anti-Humors, wenn der Wind der Montage ausgelöste Lacher schon längst weggefegt hat. Zu glauben, dass Atkinson seine Figur absichtlich demontiert hätte, wäre selbstredend sträflich naiv. Doch wenn ich sehe, wie Mr. Beans Krawatte in einer Automatenöffnung für Geldscheine zunächst stecken bleibt und dann Schritt für Schritt verschluckt wird, kann ich nicht anders, als mir vorzustellen, wie ich reagieren würde, wenn ich drei Meter danebenstünde. Aber aufgepasst: MR. BEAN'S HOLIDAY produziert diese Gegebenheiten quasi im Minutentakt. Auf einem Level, das Komödien, ob witzig oder unwitzig, nur selten erreichen.

Das soll aber nicht bedeuten, dass der 90-minütige Film keine konventionell zündende Komik besitzt. Wenn man keine großen Ansprüche erhebt, ohne Hemmungen und mit einer Gewissenlosigkeit sich dem Projekt nähert, können auch einige Gags in schallendem Gelächter aufgehen. Darüber hinaus ist die Kommunikationsebene der Handlung auffällig, weil sich in ihr durch die Sprachenvielfalt (Englisch, Französisch, Russisch, Beans Körpersprache) eine globalisierte Welt, spezieller noch: ein vereinendes Europa präsentiert, welches über die Barrieren der Sprache hinausdenkt. Der Camcorder, den Mr. Bean zu seiner Reise nach Cannes gewinnt, ist ebenfalls Teil der Kommunikation, ist er doch in der Lage, Geschehnisse bildlich wiederzugeben, zu überliefern. Dass der Film das Camcorder-Aufnahmeformat dann auch exzessiv gebraucht, also Kino- mit dem Amateurbild abwechselt, ist daher nicht bloß ein Gimmick. Vielmehr bekennt sich MR. BEAN'S HOLIDAY sowohl zur kommunikativen Funktion von Kunst als auch zum Experimentieren im Kino, dem Weiterdenken von Filmsprache. Kulminieren tut diese Aussage dann in einem Saal in Cannes, wenn Mr. Bean aus Versehen seine Videokamera sprechen lässt und sie dabei mit der Kinoleinwand verbindet. Dem monotonen, gekünstelten Voice-Over von Willem Defoes Charakter, einem blasierten Arthouse-Filmemacher, jubelt Bean zufällig seinen visuellen Reisebericht unter, welcher von peinlichen bis zu Harmonie versprühenden Momenten den ultimativen Querschnitt Beans grotesk-katastrophaler Odyssee beinhaltet. Dass er am Ende dieser Odyssee nicht zu sich selbst findet, sich in niemanden verknallt, sondern weiterhin der seltsame Mensch bleibt, der er anfangs war, nur mit vielleicht mehr Freunden, ist eine Darstellung von Filmwirklichkeit, welche sich nicht viele massenwirksame Werke leisten. Obwohl die Kinotickets sich wie geschnitten Brot verkauften, blieb zehn Jahre später, 2017, ein weiteres Kinoabenteuer des Komikers Rowan Atkinson aus, welchem mit MR. BEAN'S HOLIDAY nicht nur ein hochgradig humanistischer Film gelang, sondern auch eine große Verbeugung vor dem Franzosen Jacques Tati, dessen Monsieur Hulot ihn zur Erschaffung und Entwicklung seiner Kunstfigur inspirierte.

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