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Urok (2014)


UROK
(Die Lektion)
Regisseur/Regisseurin: Kristina Grosewa & Petar Valchanov
Bulgarien/Griechenland 2014

An den Bearbeitungsgebühren soll es nicht scheitern

Geld ist für das Gros der Menschen eine sehr knappe Ressource und manchmal können selbst kleine Beträge darüber entscheiden, ob man ein Haus behalten darf oder ob dieses gepfändet wird. Als Englischlehrerin Nadja im Unterricht das Vorhaben äußert, einem oder einer aus der Klasse eine Lektion zu erteilen, weil es zu einem Diebstahl kam und einem Mädchen Geld entwendet wurde, ahnt sie noch nicht, dass sie schon sehr bald selbst in einen Strudel finanzieller Not gerät, die ihre moralischen Ansprüche auf den Prüfstand stellen wird. Der in einem bulgarischen Provinznest angesiedelte Film erzählt seine Handlung komplett aus der Perspektive einer Lehrerin, die Geld für eine Kreditsumme auftreiben muss, damit sie und ihr Mann sowie ihr gemeinsames Kind nicht auf der Straße landen. Gleichzeitig wartet sie selbst auf die Auszahlung ihres Gehalts, welches nicht zum ersten Mal unpünktlich überwiesen wird. Alles kreist hier ums Geld, das nicht als Schlüssel für hedonistische Aktivitäten genutzt, sondern gegen notwendigen Lebensunterhalt getauscht wird. Die Bilder bilden diese Abgrenzung zum Luxuriösen und der Hinwendung zum Schmucklosen ab. In ein Farben einschränkendes Grau getaucht, dessen aseptische Ausstrahlung durch die Eindrücke einer öden Peripherie nachdrücklich forciert wird, bildet UROK postsowjetische Tristesse ab. In den meisten Provinzen Bulgariens läuft es wirtschaftlich besonders mau und wer unterrichtet, der genießt vielleicht ein hohes Ansehen, doch im Einkommen spiegelt sich dies nicht wieder. Ein Kommentar auf die sozialen Zustände des Landes gibt der Film jedoch nur auf eine indirekte Art ab, im Vordergrund steht die Verzweiflung der Hauptfigur, die einen Kredit bei einem zwielichtigen Typen nehmen wird, um einen anderen Kredit fristgerecht zu bezahlen. Sie weiß, dass man zu solchen Kerlen nur dann geht, wenn man keine andere Wahl hat. Doch sie tut es, um ihre Familie vor dem Ruin zu bewahren und Zeit zu gewinnen. Ihren Mann sehen wir dagegen kaum etwas tun, obwohl er für die Misere verantwortlich ist. Er ist nicht fähig, mehr als ein bloß passives Etwas abzugeben, das in Verhandlungsgesprächen besser seinen Mund hält und sich lieber um eine Arbeit bemühen sollte. Man fragt sich dauernd, wie die beiden zueinandergefunden haben und so muss sich das Drehbuch von UROK in diesen wenigen Momenten Fragen nach seiner Plausibilität gefallen lassen. Nicht unbedingt aufgrund des Charakters des Mannes, sondern dessen plumper Darstellung. Beeindruckend dagegen die inszenatorische Schlüssigkeit der vielen und langen Zeiträume, in denen wir die Lehrerin von einer Station zur anderen wandern oder mit dem Bus fahren sehen, weil sie von irgendwoher Geld nehmen muss. Weil ein paar Lewa zur vollständigen Zahlung des Kreditbetrags fehlen. Weil die Bank für die Überweisung der paar Lewa auch noch Bearbeitungsgebühren verlangt. Weil der schmierige Kreditgeber einem im Nacken sitzt. Immer wenn sie ein Loch zunäht, reißt das nächste auf. Doch einen ewigen Kreislauf des Geldeintreibens oder das Mittel der Prostitution lehnt sie dankend ab, indem sie selbst zur Diebin wird. Das Predigen einer Moral aus einer privilegierten Perspektive macht sich eben sehr einfach. Das bulgarische Regieduo Kristina Grosewa & Petar Valchanov machten zwei Jahre später SLAVA, in welchem es wieder um ethische Fragen geht, wenngleich der Plot dort deutlich politischere und gesellschaftlichere Dimensionen annimmt. Wieder griffen sie auf die hervorragende Hauptdarstellerin Margita Gosheva zurück und arbeiteten mit Stefan Denolyubov zusammen, der in UROK den Wucherer zum Besten geben darf. In den Passagen, in denen DIE LEKTION (deutscher Titel) Nadja für ihre existenzielle Lage losziehen lässt, sie auf Schritt und Tritt dabei verfolgt, die Kamera sie von hinten filmt, fühlt man sich unweigerlich an DEUX JOURS, UNE NUIT der Dardenne-Brüder erinnert, welcher im gleichen Jahr erschien. Während es bei den linken Belgiern allerdings um die Auswirkungen des westlichen Neoliberalismus geht, legen Grosewa und ihr Regiepartner Valchanov das Augenmerk auf die schwache finanzielle Ausstattung des bulgarischen Mittelstands sowie den Irrsinn der Bürokratie.

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