GUROTESUKU
(Grotesque)
Regisseur: Kôji Shiraishi
Japan 2009
Höchster Respekt für das Extreme und Perverse
Leidet man mehr mit den Opfern mit oder sympathisiert man doch im Geheimen mit dem kalt-präzisen Foltervorgehen des Täters? Wer gegen jedes zivilisatorische Maß an dem Vorgehen des undurchschaubaren Sadisten Gefallen findet, weil man etwa in der Darstellung eine Überzeichnung feststellen kann oder den Film gerade für die grafisch-expliziten Versuchungen eingeschaltet hat, geht den Machern auf den Leim, welche den Täter gegen Ende demaskieren. Wenn eines der beiden Opfer dessen Motivation und Background ausspricht, findet ein Bruch im ansonsten statischen Wesen des Perversen statt. Er zeigt Emotionen und damit wird aus dem Monstrum ein menschliches Antlitz herausgekitzelt, an dessen Existenz man vorher nicht einmal zweifeln konnte, weil es nie im Bereich der Möglichkeiten auftauchte. In diesem großartigen Moment findet daher weniger ein Service am Zuschauer statt, welcher nach Erklärungen und Ursprüngen lechzt, sondern eine Entzauberung des Respekts vor dem monumental Bösen. Ironischerweise ebenso klinisch und präzise wie dieses Böse sich an seinen Gefangenen vergeht. Plötzlich haben wir Mitleid mit dem Schurken, möchten ihn beinahe streicheln und ihm in jedem Fall mitteilen, dass alles schon irgendwie gut werde - er müsse nur mit dem Foltern aufhören. Bitte, bitte, schneide niemandem mehr die Nippel ab, hör auf Hände und Finger abzusägen, Augen auszustechen, Nägel in die Eier zu schlagen und den Enddarm herauszunehmen. Dann scheint wieder die Sonne, ich schwöre es dir! GUROTESUKU steht hinsichtlich seiner Machart in der Tradition der GUINEA PIG-Reihe und bietet somit ein Minimum an narrativem Gerüst und ein Maximum an sadistischer Logik. Kazuo und Aki sind frisch verliebt und werden eines Tages entführt. Als die beiden wieder aufwachen, finden sie sich in einem Raum mit einem Mann wieder, der ihnen versichert, dass er sie umbringen werde, falls sie es nicht schaffen, ihn zu erregen. Daraufhin beginnt er, seine Opfer brutal und skrupellos zu foltern. Ich weiß nicht, wie viel Papier für das Drehbuch draufgegangen ist und welche Konzeptionsstufe es überhaupt besaß, aber selbst ein Bierdeckel wäre hier noch verschwendet gewesen. Wer sich GUROTESUKU anschauen möchte, darf nicht nach einer Exposition oder klug geschriebenen Dialogen rufen und sollte vor allem imstande sein, eine stark nihilistische Visualität der Gewalt in ihrer Grundsätzlichkeit nicht zu hinterfragen. Regisseur Kôji Shiraishi, der vorher schon mit JU-REI (2004) oder NOROI (2005) von sich Reden machte und ein ausgewiesen kompetenter Herr ist, inszeniert in diesem Sicko die Gewaltakte nämlich stets mit dem höchsten Respekt für das Extreme und Perverse. Wenn er Grenzen austestet und Gewalt ausschlachtet, dann steckt kein größerer Plan dahinter, als es einfach zu tun. Sadismus um des Sadismus willen. Die Bausteine dazwischen allerdings, die kleinen Regungen und manch große Worte, die unbeantworteten Fragen und die Akte der Hoffnung bilden ohnehin die eigentliche Grube für nachhaltiges Diskussionsmaterial. Vorausgesetzt, dass man sich nicht ständig die Birne darüber zerbricht, ob man solche Gräuel filmen darf oder nicht. Bei den seit einigen Jahrzehnten eigentlich sattelfesten englischen Moralwächtern führte der Film zu Schnappatmungen, was in einem berüchtigten Verbot mündete. Sie haben bei ihrer Analyse des Films allerdings zwei Fehler gemacht. Zum einen weigerten sie sich anzuerkennen, dass Kunst kein narratives Fundament und keine Motivationen brauche, zum anderen haben sie diese beiden Dinge in GUROTESUKU übersehen.
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