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I quattro dell'apocalisse (1975)

I QUATTRO DELL'APOCALISSE
(Verdammt zu leben - Verdammt zu sterben)
Regisseur: Lucio Fulci
Italien 1975

Existieren Filme aus der Hauptschaffensphase Fulcis, die ein wenig positiv und wenigestens halbwegs humanistisch sind? Immerhin geht es hier um den Mann, der uns den Brutalismus von übers Ziel hinaus schießender Männlichkeit vor Augen führte (DAS SYNDIKAT DES GRAUENS), in den apokalyptischen Wahnsinn entführte (EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL) oder uns räudigsten Nihilismus vorsetzte (WHEN ALICE BROKE THE MIRROR). Wenn man an Filme von Lucio Fulci denkt, kommen einem Begriffe wie Selbstlosigkeit, Solidarität oder Hoffnung nicht gerade zuerst in den Sinn. Doch dann gibt es da ja noch VERDAMMT ZU LEBEN - VERDAMMT ZU STERBEN, der sich bis in den Mittelteil hinein genau so verdorben, dreckig und zynisch gibt wie die bekanntesten Exploitationer des Italieners. Dann gefällt es ihm aber plötzlich doch Hoffnungsstrahlen auszusenden und den Protagonisten den Akt der Rache erfolgreich ausführen zu lassen. Die Welt, wie sie der Film darstellt, ist zwar ein gefährlich-kühles Terrain, mit Gegenspielern, die sich weder vom Tod noch vom Teufel die Butter vom Brot nehmen lassen wollen, aber sie wirkt aufgrund ihrer Liebe zum Leben auch wieder sehr differenziert, geradezu unentschlossen.

Von Liebe gibt es zunächst noch keine Spuren: Glücksspieler Stubby Preston, Trinker Clem, Hure Bunny O' Neill und der Irre Bud sind knapp einem wütendem Mob entkommen und reiten auf der Suche nach Wasser, Essen und womöglich auch Wohnraum durch den Wüstensand. Unterwegs begegnet die ungleiche Truppe dem hundsgemeinen Chato, dessen positiver erster Eindruck schnell zu einem Irrtum sondergleichen verkommt. Nachdem er die Männer unter Drogen setzt, vergewaltigt er vor aller Augen die zu dem Zeitpunkt schon schwangere und hilflose Bunny. Als Chato von dannen zieht, schwört Hauptfigur Stubby Preston, gespielt von Fabio Testi, den Outlaw zu töten. Einige Wendungen später sind nur noch Stubby und Bunny bei uns, die den Ort namens Altaville aufgesucht haben, um dort Bunnys Kind auf die Welt zu bringen. Anfangs scheint die Männerortschaft wenig Bock auf das Duo zu haben, doch dann lassen  sich auch die verdrießlichsten Gestalten vom Baby-Hype mitreißen.

Dass ich dem Filme Güte und eine relative Milde nachsage, heißt allerdings noch lange nicht, dass Fulci bezüglich Gore und Gemeinheiten Zurückhaltung übt. Chato als ultimativer Bösewicht lässt auch keine Gelegenheit aus, seine rabiat-sadistische Ader auszuleben. Mit seinen Kumpels schlachtet er dann auch mal eine ganze Mormonengemeinschaft ab, ohne dass wir von einem konkreten Motiv für diese barbarische Handlung erfahren. Die Mormonen hatten halt einfach Pech, sie waren eben zur falschen Zeit am falschen Ort da. Unsere Helden, mit denen wir mitfühlen sollen, sind, wie für einen desillusionierten Western typisch, eher Anti-Helden, also gesellschaftlich Unterprivilegierte, die ein schweres Los gezogen haben. Man erkennt zwar, dass sie im Bund trotz ungleicher Eigenschaften keine schlechten Chancen haben, ihrer Umwelt zu trotzen, doch der Film macht deutlich, dass für sie keine gemeinsamen familiären und freundschaftlichen Wege offenstehen. Den Trinker Clem wird es im Laufe des Films noch schwer erwischen, Bud wird sich einfach aus dem Staub machen und Bunny wird nicht die Möglichkeit bekommen, ihr Kind in die Arme zu nehmen. Alle müssen der verbitterten Bischissenheit des Lebens ins Auge sehen.

Mit Fabio Testi in der Rolle des Stubby Preston, der überhaupt kein typischer Revolverheld ist, gelang dem Regisseur übrigens ein richtiger Glücksgriff. Etwas, das ihm für seinen letzten Western SELLA D'ARGENTO dann leider nicht mehr glückte. Giuliano Gemma spielte dort die Hauptfigur und war offenkundig doch sehr überfordert. Bemerkenswert ist des Weiteren natürlich auch Tomás Miliáns Darstellung der Figur Chato, die unüberraschend viele Charakterattitüden vereinigt, mit denen Milián durch zahlreiche Schurkenrollen in Kriminalfilmen bestens vertraut war. Die Regie selbst ist es dann aber, die I QUATTRO DELL'APOCALISSE ins Reich der feuchten Cineastenträume hebt. Wenn Bunny das Kind bekommt und die Männer aufhören zu tratschen, weil sie das Geschrei des Babys wahrnehmen, fliegt die Kamera etwas hoch, bewegt sich bisschen weg, um die kleine Ortschaft besser zu überblicken. Man könnte man meinen, dass die Zeit für einen kurzen Augenblick still steht. Die Männer, die kurz zuvor noch infantil darauf gewettet haben, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, halten allesamt plötzlich ihre Münder. Nie war die Kamera bei Fulci am Künstlerischsten als in den Siebzigern.

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