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Schastye (1935)

Im Jahr 1935 gab es immer noch Regionen auf der Welt, in denen die Produktion von Stummfilmen einfach noch kein Ende nehmen wollte - in der Sowjetunion beispielsweise. Dort brach unter der Einwirkung des Stalinismus die kreative Filmkunstszene zwar nicht zusammen, wurde jedoch ab 1932 durch die Forderung nach einem sozialistischen Realismus, der auch andere Kunstgattungen betraf, massiv eingeschränkt. Stark formalistische Werke wie die von Eisenstein oder Wertow waren fortan nicht mehr möglich, weil sie nicht den Anforderungen des Massengeschmacks genügten und deshalb abgewürgt werden mussten. So erklärt sich auch, warum die Sowjetunion für die Filmgeschichtsschreibung, nach den vitalen und Innovationen hervorbringenden goldenen Zwanzigern, erst nach dem Tod Stalins einigermaßen wieder relevant wurde. Dass aber die ideologisch motivierte Beschneidung der Filmemacher die Herstellung qualitativer Werke von vornherein verhinderte, ist natürlich grundlegend falsch, wie man am Beispiel von SCHASTYE sehen kann.


In diesem wunderbar ideenreichen Film porträtiert Regisseur Aleksandr Medvedkin den glücklosen und vom Schicksal gebeutelten Bauer Khmyr, der verschiedene Versuche unternimmt, um bisschen Glück und inneren Frieden im Leben zu finden. Medvedkins Humor kommt dabei eher absurd denn ulkig daher, enthält hier und da Keaton- wie Chaplin-Anleihen und vermittelt gelegentlich das Gefühl, satirische Überzeichnungen zu enthalten. Vor allen Dingen bleibt aber das Komödiantische durch kreative Einfälle stets lebendig, sei es durch massive Übertreibungen oder ungewöhnliche Umkehrungen. Zu dieser Stärke des Skripts gesellt sich ebenfalls die visuelle Qualität, die gewiss nur selten die assoziativen und herausfordernden Schnittfolgen der sowjetischen Altmeister hervorbringt, dafür aber sich ins Gehirn fressende Bilder von Bauernfeldern produziert, auf welchen der Kampf um das Mindestmaß an Wohlstand stattfindet. Es scheint dem Regisseur überdies gelungen zu sein, die profunde visuelle Sprache der prä-stalinistischen Ära bis zu einem gewissen Grad zu bewahren und sie mit den Trivialisierungswünschen der Kommunistischen Partei zu vermischen, denn ansonsten hätte dieser fantastische, kluge Film wohl nie das Licht der Welt erblicken können.


SCHASTYE (Deutscher Titel: DAS GLÜCK)
Regisseur: Alexander Medvedkin
Sowjetunion 1935

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