Deadwood
USA, 2004-2006
Umfang: 3 Staffeln (36 Episoden)
Genre: Drama, Western
Idee: David Milch
In South Dakota befindet sich eine Stadt in ihrer Entstehung - Deadwood.
Der Ort lockt Goldsucher genauso wie normale Händler und wird von dem
Saloon- und Hotelbesitzer Al Swearengen regiert. Er zieht in Deadwood
die Fäden, definiert Recht und Unrecht und hält eine Menge schmutziger
Geschäfte am Laufen. Das kann er sich auch deshalb leisten, weil der Ort
unabhängig ist und dort keine formellen Gesetze gelten. Dafür, dass das
so bleibt, ist Swearengen gerne bereit, Bestechungsgelder zu verteilen,
wobei er im Notfall auch vor Mord nicht zurückschreckt.
Die Serie beginnt damit, dass Seth Bullock und sein Partner Sol Star
ihre Arbeit auf der Seite des Gesetzes aufgeben und aus Montana
verschwinden. Sie fassen den Plan, an dem noch jungen Ort Deadwood einen
Laden zu eröffnen. Wenig später bekommen die beiden von einem
angeblichen Überfall der Indianer mit, der sich abseits von Deadwood
ereignet haben soll und wohl auch einige Menschenleben kostete.
Allerdings wissen Seth und Sol zu diesem Zeitpunkt schon, dass
Saloonbesitzer Al Swearengen das Sagen hat und kaum ein krummes Geschäft
auslässt. Zusammen mit zwei weiteren neuen Ankömmlingen, dem
Revolverhelden Wild Bill Hickok und seinem Kumpel Charlie Utter, ist man
sich sicher, dass es sich bloß um eine Lügengeschichte von Swearengen
handelt, um die Mordfälle anderen in die Schuhe zu schieben. Allerdings
scheint dessen Plan außer Kontrolle zu geraten, als man am Tatort ein
kleines Mädchen vorfindet, das das Massaker überlebt hatte. Weil das
Mädchen nur Schwedisch spricht und kein Englisch versteht, kann sie Al
als Zeugin erst einmal nicht gefährlich werden, weshalb er sie am Leben
lässt.
Im Pilotfilm, der übrigens unter der Regie von Actionfilm-Legende Walter
Hill entstanden ist, können wir schon den Feinheiten in der
Dramaturgiegestaltung, die die erste Staffel auszeichnet, gewahr werden.
Nicht ein spezielles Thema wird in jeder Folge behandelt, sondern
mehrere unterschiedliche, teilweise sich nicht einmal berührende
Handlungsstränge aufgeführt, die selten vollständig abgeschlossen
werden. Im Mix mit der stattlichen Dialoglastigkeit gaben die Macher
also darauf acht, auf subtile und über mehrere Episoden anhaltende,
anstatt auf vordergründige und kurzlebige Spannung zu setzen. In
DEADWOOD herrscht das System des Weitererzählens, des Weiterspinnens,
die Dramaturgie der von Folge zu Folge wachsenden Komplexität und es
herrscht gleichzeitig natürlich ebenso das Versprechen der Eskalation,
der erzählerischen Sensation oder wie man auch immer den Begriff
Hochspannung umschreiben möchte. Fakt ist aber auch, dass Zitter- und
Mitfiebermomente fast vollständig ausbleiben.
Obwohl die Serie eine Wildwest-Geschichte aus dem Jahr 1876 erzählt,
tritt sie nicht auf den Spuren der billigen Literatur über Colthelden
und den Filmen der klassischen Western-Phase. Stattdessen grenzt sich
DEADWOOD von Mythologie huldigenden Elaboraten vor allem deshalb ab,
weil es der Serie um einen sehr realistischen Charakter geht und weniger
darum, zum tausendsten Mal wildes Gunplay und spontan entstehende
Saloonschlägereien auf den Bildschirm zu bringen. Auch wurde dafür
gesorgt, dass mehrere unterschiedliche Männlichkeitsprofile existieren,
was sich ebenfalls gegen den Western klassischer Prägung stellt, in
welchem Männer zumeist in Helden und Weichlinge aufgeteilt wurden. Zudem
basieren viele Figuren sowie der Ort in der abgebildeten Verfassung auf
realen Fakten und bilden einen konkreten historischen Bezugsrahmen, was
die Bestrebung der Macher, das Western-Genre auf die Möglichkeiten
seiner lebensnahen nüchternen Darstellung zu überprüfen, nur noch
unterstreichen kann.
Doch so nüchtern manchmal die Geschichte um den mächtigen und
kriminellen Al Swearengen, dessen Speichellecker-Gefolge und die
zahlreichen anderen relevanten Bewohner Deadwoods daherkommt, sie ist
nicht frei von Brutalität und Gewalt. Erstgenanntes Merkmal trifft man
zwar nur selten vor, doch wenn es mal knüppelhart wird, dann macht
DEADWOOD wirklich keine halben Sachen und traut sich für eine TV-Serie
verdammt viel. Geradezu als das Gegenteil zu der nur als Randerscheinung
vermerkbaren Brutalität nehmen sich dagegen die Fluchwörter aus, die
dem realistischen Touch noch eine weitere gediegene Note hinzugeben
können. Die Sprache ist derb und hässlich, doch macht dies den Ort, wo
Korruption und Gesetzlosigkeit ohne Unterbrechung existieren können, wo
Gier und Tyrannei das Leben der Akteure prägen, zu einer faszinierenden
Arena für den Kampf um die Ordnung - ganz gleich, wer für die
Herstellung der Ordnung verantwortlich ist. Falls übrigens jemand
Trinkspiele während einer Sichtung veranstalten möchte und nicht
unbedingt das in Fluchkonzerten obligatorische "fuck" als
Trinkaufforderung zur Regel machen will, dem kann man wohl durchaus auch
den Begriff "cocksucker" empfehlen.
Das einzige kleinere Manko der Serie bzw. der Staffel ist die lange
Laufzeit von ca. 50 Minuten, was natürlich typisch für Serien von Home
Box Office ist, jedoch in DEADWOOD nicht ständig sinnvoll zu sein
scheint, da sich in vielen Folgen immer mal spürbare Durststrecken
auftun. Ist das Gemecker auf hohem Niveau? Auf jeden Fall, und aus einer
höchst subjektiven Perspektive noch dazu. Wirft man seine Betrachtung
beispielsweise auf die Schauspieler, dann entdeckt man, dass DEADWOOD
bis in die kleinsten Nebenrollen erstklassig und exzellent besetzt
wurde. Ob mehr oder weniger Glück dabei war oder ob der Cast das
Ergebnis eines sehr langen Castingprozesses war, weil man nichts dem
Zufall überlassen wollte, das entzieht sich in diesem Moment allerdings
meiner Kenntnis.
2 Kommentare
Ob mehr oder weniger Glück dabei war oder ob der Cast das Ergebnis eines sehr langen Castingprozesses war, weil man nichts dem Zufall überlassen wollte, das entzieht sich in diesem Moment allerdings meiner Kenntnis.
AntwortenLöschenDas weiß ich zwar auch nicht, aber für solche Fragen ist Jim Beaver eine gute Quelle. Der ist nicht nur intelligent und eloquent (er hat auch schon Bücher geschrieben), sondern auch online unterwegs (früher im Usenet, heute auf seiner Facebook-Seite) und durchaus auskunftsfreudig, was seine Serien wie DEADWOOD und SUPERNATURAL betrifft.
Wie immer danke für deine informationsreichen Kommentareinträge.
AntwortenLöschenHabe den Beitrag zur ersten Staffel allerdings auch recht frei geschrieben ohne mich viel um Recherche über objektive Tatsachen zu kümmern. Um den Cast werde ich mich sicherlich noch in der Besprechung zur letzten Staffel (das ist die dritte) kümmern. Falls ich keine guten Infos und Hintergründe rausbekomme, könnte ich mir echt vorstellen, mit ein paar Fragen an den Typen heranzutreten. War gerade auf seiner Homepage und da scheint echt die Lutzi abzugehen, tatsächlich sehr aktiv der Typ. :-)