#4
IL MULINO DELLE DONNE DI PIETRA
(Die Mühle der versteinerten Frauen)
(Die Mühle der versteinerten Frauen)
Regisseur: Giorgio Ferroni
Italien/Frankreich 1960
[Im Vorfeld]
[Im Geschehen]
Wohl
artikulierte Gothichorrorbilder, an denen das Bewusstsein hängt,
dass Optik nicht bloß schmarotzerhaft den Plot begleiten darf,
sondern Stimmung erzeugen soll, also dazu da ist, aktiv der
Lebendigkeit des Gezeigten zuzuarbeiten, finden sich zu Hauf in
Ferronis Streifen. Das sich drehende Mühlrad, dass im Inneren der
Mühle Frauenstatuen bewegt, während die Maschine krächzt und
kreischt, wird schnell zum Symbol einer kultivierten Unheimlichkeit.
Man sieht Figuren am Galgen, in Ketten, kurz vor ihrer Verbrennung.
Dass die Statuen Besucher anziehen, die sich die bizarr-mechanische
Attraktion anschauen und dafür höchst wahrscheinlich Geld blechen,
verdeutlicht den Reiz dieses quitschigen Karussels, das
selbstverständlich ein dunkles Geheimnis birgt. Doch zunächst ahnt
unsere Hauptfigur Hans von Arnim nichts von den düsteren Absichten,
die der Mühlenbesitzer Gregorius Wahl verfolgt. Der Student möchte
bloß einen Bericht über das Amsterdamer Mühlrad und seinen
Besitzer schreiben, der ihm rät, sich auf die Recherchearbeiten zu
konzentrieren und weniger mit seiner Tochter Elfie zu quatschen.
Diese lebt zurückgezogen im Haus und wird vom Vater von der
Außenwelt isoliert. Es sind diese Geheimnisse der Mühle, des
Professors sowie der Tochter, die einen großen Reiz kreieren. Als
Vielgucker aus der heutigen Zeit wird man zwar erahnen wohin die
Reise geht, doch das stört die Entfaltung nicht im Geringsten. Die
psychologische Schärfe erstaunt nämlich dort, wo man sie vielleicht
zunächst am wenigsten erwartet: im Beziehungsgefüge von Vater und
Tochter. DIE MÜHLE DER VERSTEINERTEN FRAUEN ist nämlich nur zur
Hälfte ein stimungsreicher Grusler, der Rest tritt dem Orden der
Familientragödien bei. Die Schichten, die hier übereinandergelegt
werden, bremsen sich jedoch nie gegenseitig aus, sondern verstehen
sich als Teil eines Ganzen. Erst wenn alle Vorhänge fallen, jeder
Winkel eines Geheimnisses offenbart wurde, zerbricht mit dem
Mysterium ein Stück Intensität. Doch glücklicherweise waren die
Drehbuchautoren Remigio Del Grosso, Ugo Liberatore sowie der
Regisseur so gerissen, erst in der letzten Viertelstunde das
Verschleierte aufzudecken. Bei einem Werk, das Visualität für
Trumpf hält, ist aber das Ästhetische ohnehin entscheidender und
hierfür sollte Ferronis Team, vom Zuständigen für die Garderobe
über den Lichtsetzer bis zum Setdesigner, noch viel mehr gelobt
werden. So führt jede Einstellung zu einem Augenschmaus, das sich
durch die wundervollen Sets und die Kadrage ergibt.
[Im Großen und Ganzen]
Die Italiener mal wieder mit ihrem Auge für schöne Details und ihrem ästhetischen Selbstbewusstsein! Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der Dasteller der bekanntesten Manitou-Interpretation, Pierre Brice, die neugierige Hauptfigur Hans von Arnim mimen darf und dies auch vorzüglich bewerkstelligt. Mario Bava sollte ja später noch künstlerische Höhen erklimmen, die Ferroni verwehrt blieben. Doch im Jahr 1960 sehe ich den unverschämt oft als Handwerker abgestempelten Regisseur mit diesem Werk wirklich vorne.
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